Aktionstag : Proteste gegen Mietenwahnsinn

Hunderte Hamburger haben am Wochenende gegen Wohnungsnot und Leerstand demonstriert. Sie kritisierten auch den SPD-Senat für seine Politik. Der will jetzt endlich das Wohnraumschutzgesetz überarbeiten. Im November gehen die Proteste weiter. 

Die Abschlusskundgebung Samstagnachmittag am Schröderstift. Das Studentenwohnheim wurde 1980 durch eine Besetzung vor dem Abriss bewahrt.

„Mieten sind scheiße“, „Kein Gott, kein Staat, kein Mietvertrag“: Mit solchen Parolen zogen am Samstag rund 400 Studierende und Auszubildende vom Audimax durchs Grindelviertel. Mit ihrem  Stadtteilrundgang wollten sie gegen Wohnungsnot und Leerstände protestieren. Vor ungenutzten Gebäuden machten sie Halt, um den Leerstand anzuprangern. Immer dabei: nervöse Polizisten, die sich vor die Hauseingänge stellten.

Zu den angekündigten Besetzungen leerstehender Wohnungen kam es allerdings nicht: Schon am Samstagvormittag hatte sich die Polizei vor zahlreichen leerstehenden Häusern postiert. Außerdem nahmen weniger Teilnehmer als erwartet teil. Ursprünglich sollten im Rahmen des Aktionstages „neue Studentenwohnheime eröffnet“ und „Alternativnutzungen praktisch erarbeitet“ werden. Eine Forderung der Demonstranten war auch die Legalisierung von Leerstandsbesetzungen. „Es gibt viele Räume, die genutzt werden können und müssen, um dem Mietenwahnsinn in der Stadt Hamburg zu bekämpfen“, sagte Bündnissprecher Moritz Frietzsche zu Hinz&Kunzt. „Nur wenn wir Wohnraum vergesellschaften, Leerstand nutzbar machen und eine Mietobergrenze einführen, können wir der Stadtentwicklungspolitik entgegen wirken, die nicht an den Bedürfnissen der Menschen orientiert ist.“

Aktionen in Altona und auf St. Pauli

Hunderte Meter Flatterband wehten gleichzeitig ein paar Kilometer weiter durch die Straßen von St. Pauli. Damit wollten die Stadtteilinitiativen SOS Karoviertel und SOS St. Pauli „Orte des Widerstands, der Empörung, der Gegenwehr, der Phantasie“ miteinander verbinden, wie es im Aufruf hieß. Gut sichtbar wurden mit dem roten Flatterband so unter anderem die vom Abriss bedrohten Esso-Häuser am Spielbudenplatz, das mit Asbest belastete Niebuhr-Hochhaus an der Reeperbahn und die ehemalige Rindermarkthalle am Neuen Kamp verbunden. Eine Initiative streitet dafür, bei den Planungen für den Umbau der Halle mitreden zu dürfen. Mit der Aktion wollten die Initiativen zeigen, dass es sich dabei nicht um unabhängige Konflikte handelt, sondern ein stadtentwicklungspolitischer Zusammenhang besteht. Etwa 60 Personen beteiligten sich am „Flattern“.

Flattern gegen Wohnungsnot, hier in der Wohlwillstraße. Das Flatterband zog sich am Samstag durch ganz St. Pauli.

Auch in Altona regte sich Protest: Vor den Häusern in der Breiten Straße 114-116 versammelten sich nach Veranstalterangaben 200 Menschen, um gegen den geplanten Abriss der Häuser zu protestieren. „Niemand hat die Absicht ein Haus zu besetzen“ stand hier auf einem Transparent. Auch hier stellte die Polizei sicher, dass es dabei blieb. Am Abend endete der Aktionstag mit einer Lichterkette vor den Häusern.

Kritik an Wohnungspolitik des Senats

Dem SPD-Senat wirft das Organisationsbündnis eine Wohnungspolitik vor, die einseitig die Interessen von Unternehmen und Vermietern vertritt. Tatsächlich unternimmt aber auch die Regierung nun zaghafte Schritte, um die Wohnungsnot zu bekämpfen: Der Senat wird voraussichtlich am kommenden Dienstag eine geplante Reform des Wohnraumschutzgesetzes vorstellen, nachdem die SPD-Fraktion das bereits im Sommer 2010 vorgeschlagen hatte – damals noch in der Opposition. Unter anderem dürften Wohnungen demnach dann nur noch drei statt sechs Monate leer stehen, bei Verstößen drohen hohe Strafen. Die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion Heike Sudmann begrüßte den Schritt grundsätzlich.  Aber: „Entscheidend für die Durchsetzung der neuen Bestimmungen ist aber, dass auch das Personal in den bezirklichen Wohnraumschutzdienststellen nachhaltig aufgestockt wird“, sagte sie.

In den kommenden Wochen finden weitere Demonstrationen zum Thema Wohnen statt. Ein „Recht auf ein freibestimmtes Leben im Wagen“ ist die zentrale Forderung einer Demonstration anlässlich des zehnten Jahrestages der Räumung des Bambule-Bauwagenplatzes. Sie beginnt am Sonntag, den 4. November um 13 Uhr am Neuen Pferdemarkt. Am Samstag, den 10. November, startet um 13 Uhr am Hachmannplatz eine Demonstration unter dem Motto „Mietenwahnsinn stoppen!“, die bis in die Hafenstraße nach St. Pauli führen soll.

Text und Fotos: Benjamin Laufer

 

 

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