Lohndumping : Pizzalieferant muss Jobcenter entschädigen

Gehen Jobcenter gegen zu niedrige Löhne vor, lohnt sich das. Das Arbeitsgericht Eberswalde hat einen Pizzalieferanten dazu verurteilt, dem Amt fast 11.000 Euro zu zahlen, weil er seine Mitarbeiter so schlecht entlohnt hatte, dass diese ergänzende Hilfen brauchten. 

Annähernd 11.000 Euro muss ein Pizzalieferant aus Eberswalde an das Jobcenter Uckermark zahlen, weil er Mitarbeiter so schlecht entlohnt hat, dass diese auf ergänzende Hilfen vom Amt angewiesen waren. Ein entsprechendes Urteil des Amtsgerichts Eberswalde (2 Ca 428/13) ist nun rechtskräftig. Der beklagte Arbeitgeber hatte Mitarbeitern Stundenlöhne zwischen 1,59 Euro und 3,46 Euro gezahlt und darauf verwiesen, dass seine Beschäftigten ja Trinkgelder bekämen. Das Gericht beurteilte diese Praxis als sittenwidrig und gab damit dem klagenden Amt Recht. Nachdem der Pizzalieferant seine Berufung zurückgenommen hat, ist das Urteil nun rechtskräftig.

In Eberswalde bekamen Mitarbeiter eines Pizzabringdienstes nur xxxx Stundenlohn und brauchten Unterstützug vom Amt, um über die Runden zu kommen. 11.000 Euro Entschädigung für diese aufstockenden Leistungen muss der Arbeitgeber jetzt erstatten.
In Eberswalde bekamen Mitarbeiter eines Pizzabringdienstes einen Stundenlohn unter vier Euro und brauchten Unterstützug vom Amt, um über die Runden zu kommen. 11.000 Euro Entschädigung für diese aufstockenden Leistungen muss der Arbeitgeber jetzt erstatten. Foto: Actionpress

Vor allem in ostdeutschen Bundesländern versuchen Jobcenter zunehmend, juristisch gegen Dumpinglöhne vorzugehen. Allein das Jobcenter Uckermark führt derzeit vier Klagen. Wie die Kreisverwaltung mitteilte, haben Behördenmitarbeiter bislang 164 Arbeitsverhältnisse bei 86 Arbeitgebern geprüft. 22 Fälle bei neun Arbeitgebern seien abschließend bearbeitet worden. Fünf der neun Arbeitgeber hätten die vom Landkreis geltend gemachten Forderungen „dem Grunde nach anerkannt und der Höhe nach akzeptiert“. Die anderen Fälle werden beim Arbeitsgericht Eberswalde (erste Instanz) oder beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (zweite Instanz) verhandelt.

Nach einem Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts ist ein Lohn dann sittenwidrig, wenn er nicht mindestens zwei Dritteln des tariflichen beziehungsweise ortsüblichen Lohns entspricht (5 AZR 436/08). Da in Niedriglohn-Branchen selten Tarifverträge gelten oder diese sehr niedrige Entgelte festschreiben, können Arbeitgeber in der Folge oft Löhne jenseits der Anstandsgrenze bezahlen. Im Fall des Pizzalieferanten aus Eberswalde ermittelte das Arbeitsgericht einen ortsüblichen Lohn in Höhe von 6,78 Euro brutto. Das bedeutet: Hätte der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern 4,52 Euro die Stunde bezahlt, wäre er nicht verurteilt worden.

In Brandenburg gehen die Jobcenter flächendeckend gegen Arbeitgeber vor, die Dumpinglöhne zahlen. In Hamburg würde man entsprechenden Hinweisen nachgehen.

Trotz der schwierigen Rechtslage gelingt es Jobcentern immer wieder, Arbeitgeber zur Zahlung von Geldern zu zwingen, die diese auf Kosten des Steuerzahlers eingespart haben. So berichtete Hinz&Kunzt bereits 2010 über das beispielhafte Vorgehen des Stralsunder Jobcenters. Dieses hatte allein innerhalb von anderthalb Jahren 64.000 Euro für die öffentliche Hand zurückgeholt. Das Beispiel hat Schule gemacht: So gehen die Jobcenter in Brandenburg inzwischen flächendeckend gegen Arbeitgeber vor, die Dumpinglöhne zahlen. „Je lückenloser und konsequenter wir das angehen, desto eher wird das auch eine präventive Wirkung gegenüber den Arbeitgebern haben“, erklärte dazu der Pressesprecher der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit in einem Interview. „Sittenwidrige Löhne sind ja nicht nur für die jeweiligen Arbeitnehmer ein Problem, sondern auch für konkurrierende Unternehmen, die angemessene Gehälter zahlen.“

Das Hamburger Jobcenter erklärte auf Nachfrage, dass der Behörde derzeit kein Fall von Lohndumping bekannt sei. Eine Sprecherin versicherte jedoch: „Wenn uns ein Hilfeempfänger auf entsprechende Missstände hinweist, gehen wir diesen sofort nach.“ Laut Bundesagentur für Arbeit waren im Juli 2013 (neuere Zahlen liegen nicht vor) 32.949 erwerbstätige Arbeitslosengeld-II-Empfänger in Hamburg auf ergänzende Hilfen vom Amt angewiesen – darunter 4776 Vollzeitbeschäftigte.

Text: Ulrich Jonas