Strassenfeger Berlin : Obdachlosenverein droht Obdachlosigkeit

Dem Obdachlosenprojekt Strassenfeger in Berlin wurde der Mietvertrag gekündigt, weil es nicht mehr in den aufgewerteten Stadtteil passen soll. Aus dem Prenzlauer Berg soll eine Notunterkunft für Menschen verschwinden, die bereits ihre Wohnung verloren haben.

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Getränke ab 25 Cent: beim Verein Mob bekommen Obdachlose Unterstützung.

In Berlin frisst die Gentrifizierung ihre eigenen Kinder. Durch Verdrängung werden auch in der Hauptstadt Mieter obdachlos – und jetzt sollen sogar noch die Obdachlosen verdrängt werden. Am vergangenen Freitag flatterte dem Pankower Verein Mob – Obdachlose machen mobil die Räumungsklage ins Haus. Neben einer Notunterkunft für Obdachlose beherbergt der Verein das Straßenmagazin Strassenfeger, ein Sozialkaufhaus und ein Café. Der Grund für die Kündigung ist die Aufwertung, die der Stadtteil in den vergangenen Jahren erlebt hat. Das ist mehr als eine bloße Vermutung, denn so steht es im Kündigungsschreiben, schwarz auf weiß: „Die Wohnsituation hat sich im Laufe der letzten Jahre im Prenzlauer Berg so verändert, dass es uns nicht mehr möglich ist, ein Projekt Ihre Art in unserem Objekt zu halten.“

Für Strassenfeger-Chefredakteur Andreas Düllick ist die Sache klar: „Das ist Gentrifizierung in Reinform“, sagt er. Seit 2002 residiert das Projekt jetzt in der Prenzlauer Allee, direkt am gleichnamigen S-Bahnhof. Seitdem hat sich das Viertel verändert, viele der früheren Bewohner können sich die gestiegenen Mieten nicht mehr leisten. Vor drei Jahren sei dann das Haus nebenan saniert worden, aus Miet- wurden Eigentums- und Ferienwohnungen. Dass im Innenhof manchmal Obdachlose im Mülleimer wühlen oder sich laut unterhalten, ist plötzlich ein Problem, sagt Düllick: „Wir sind jetzt der soziale Brennpunkt nebenan.“

Sogar Pankows Sozialstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz ist mit der Entwicklung im Prenzlauer Berg alles andere als zufrieden. „Das ist eine sehr hippe, langsam spießig werdende Gegend“, sagt die SPD-Politikerin. Soziale Projekte seien dort immer weniger Willkommen, manche hätten sich bereits zurückgezogen. Auch die steigenden Mieten seien ein großes Problem: „Unsere anderen Projekte dürfen sich örtlich nicht mehr verändern, sonst reicht die Förderung nicht mehr für die Miete.“ Gerne würde sie dem von der Obdachlosigkeit bedrohten Verein helfen, sieht aber keine Möglichkeit: „Wir sind selber händeringend auf der Suche nach Unterkünften.“

Die Notunterkunft von Mob ist im ganzen Bezirk die einzige Schlafstätte für Obdachlose. „Wenn die 17 Plätze wegfallen, wäre das dramatisch“, sagt Andreas Düllick. Fast immer seien die Schlafplätze voll belegt. Die Schlafgäste dürfen dort vier Wochen bleiben, dann werden sie vom Strassenfeger-Team bei der Suche nach einer Wohnung unterstützt. Doch nicht nur der drohende Wegfall der Unterkunftsplätze ärgert Düllick: „Wir haben einen Haufen Geld investiert“, sagt er. Insgesamt 150.000 Euro Spendengelder hätte der Verein in die Renovierung des Gebäudes gesteckt. „Das ist alles verloren!“

Immerhin: Aussicht auf eine neue Bleibe gibt es für den Strassenfeger, das Café und das Sozialkaufhaus, aber die Notunterkunft für 17 Wohnungslose steht vor dem Aus. Aber das wollen Düllick und seine Kollegen nicht akzeptieren. Im Zweifelsfall will der Verein es darauf ankommen lassen. „Die Ultima Ratio ist: Die Notunterkunft zieht eben nicht aus!“, sagt Düllick und spielt auf die Berliner Hausbesetzergeschichte an. Dann müsste wohl die Polizei zu einer Zwangsräumung der Wohnungslosen aus ihrer Notunterkunft anrücken. Ob diese Szenen in den hippen Stadtteil passen würden?

Text: Benjamin Laufer
Foto: Strassenfeger