Momentaufnahme #3 : Poetry-Slam für Hinz&Kunzt

Momentaufnahme #3: Am 3. September ist die Cap San Diego erneut Schauplatz für einen Poetry-Slam von Kampf der Künste für Hinz&Kunzt. Mit dabei: Bente Varlemann und Mona Harry.

Hinz&Kunzt: Mona, Bente – ihr seid beide aus kleinen Orten nach Hamburg gekommen, warum?

BENTE VARLEMANN: Für mich war Großstadt ein Ort, wo es eine U-Bahn gibt. Die hatte Hamburg. Ich finde ja, alle sollten umsonst den HVV nutzen können, aber das ist ein anderes Thema …
MONA HARRY: Ich merke immer wieder, dass ich ein Dorfkind bin und gerne Natur um mich habe. Hamburg ist, was das betrifft, eine gute Großstadt.

In euren Texten ist Hamburg aber eher Kulisse. Welche Themen beschäftigen euch?

MONA: Mich interessieren Paradoxien. Ich studiere auch deshalb Philosophie, weil ich das Wundern unglaublich faszinierend finde. Irgendwas lässt mich nicht los, irgendwas verwundert und irritiert mich so sehr, dass ich mich damit beschäftigen muss.
BENTE: Ich wundere mich auch, aber ich rege mich auch ziemlich gerne auf. Im Moment versuche ich gesellschaftskritische Themen so zu schreiben, dass sie lustig sind, aber gleichzeitig den Ernst nicht verlieren. Das ist unglaublich schwierig.

MONA: Ich bin immer sehr fasziniert, wenn jemand seine Texte strukturiert auf- schlüsseln kann. Sodass man hinterher da steht und denkt: „Was für ein simpler Gedankengang, aber wie schlüssig das ist!“ Ich würde auch gern ein bisschen weniger Schnörkel in meinen Texten haben. Ich erkenne mich da oft in Be- schreibungen überhaupt nicht wieder und denke „Oh Gott, wie kitschig und blumig ist das denn? Ich muss alles wegschmeißen!“ (lacht). Ich kann mir auch keine Videos von meinen Lesungen angucken.
BENTE: Echt nicht?

MONA: Nein. Ich konnte auch lange nicht mit Applaus umgehen. Ich erinnere mich noch genau an eine Situation nach einem Slam im Ernst Deutsch Theater. Ich bin Erste geworden und mit dem Zweitplatzierten, der ein gebrochenes Bein hatte, hoch zur U-Bahn, er humpelnd. Gegenüber war alles voll von Leuten, die gerade noch beim Slam waren. Die haben uns irgendwann erkannt und angefangen zu applaudieren. Ich wäre vor Scham am liebsten im Boden versunken oder weggelaufen! Und er hat das total genossen. Jetzt komme ich aber gut mit Applaus klar. (lacht)

Inwieweit muss man als Poetry-Slammer eine Rampensau sein?
BENTE: Alle, die auf einer Bühne sind, müssen irgendetwas daraus ziehen. Und wenn es nur die schreckliche Aufregung davor ist, der Adrenalinkick hinterher.
MONA: Bei meinem ersten Auftritt bin ich auf die bescheuerte Idee gekommen, das Mikro aus dem Stativ zu nehmen, sodass ich meinen Text nicht mehr richtig umblättern konnte. Dann ist mir das Mikrokabel abgerissen. Der Moderator musste das dann wieder flicken. Meine Wertung war nicht miserabel, aber dieser Adrenalinkick währenddessen und hinterher war schon krass.

„Ich bin schon angebrüllt worden“ – Bente Varlemann

Gab es auch schon unangenehme Situationen?
BENTE: Ich bin schon angebrüllt worden. Das war bei einem Text, der sich gegen Sexismus ausspricht. Darin geht es auch um Berührungen. Ich bestimme, wer meinen Körper anfassen darf. Am Ende der Veranstaltung sind alle auf die Bühne, haben sich an den Händen gefasst und verbeugt, was ich sehr schön fand. Dann meinte halt jemand, reinbrüllen zu müssen: „Äh, dich darf doch keiner anfassen!“ Mir ging es danach nicht gut. Ich habe den auch zurück angebrüllt. Ich habe aber auch gemerkt, dass diese Reaktion zeigt, warum der Text wichtig ist.

Bente Varlemann slammt über Sexismus

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Ist die Erwartungshaltung an eine slammende Frau anders als an einen Mann?
MONA: Als ich vor drei Jahren angefangen habe, habe ich einen großen Bogen um Liebesgedichte gemacht. Weil ich wusste, dass es dieses Klischee von Mädchenlyrik gibt. Ich hatte total Angst, in dieser Schublade zu landen. Total paradox, es aus diesem Grund nicht zu machen! Es gibt auch sehr viele Texte, die sich über Mädchenlyrik lustig machen. Dabei ist das, wie Witze über die FDP zu machen, so einfach! Vielleicht schreibe ich aber trotzdem irgendwann ein Liebesgedicht.

Bente, hast du schon Liebesgedichte geschrieben?
BENTE: Klar! Ich habe die auch gelesen auf der Bühne (lacht). Aber man wird immer kategorisiert, es ist immer abwertend gemeint, das sehe ich genau so.

Gibt es in der Slam-Szene Frauensolidarität?
MONA: Ja, zunehmend. Gerade im vergangenen Jahr gibt es meines Gefühls nach eine stärkere Vernetzung. Ich finde das total bereichernd. Überhaupt mal darüber zu reden, dass es anders sein kann, eine Frau in dieser Szene zu sein. Oft ist man auf Slams ja die einzige Frau.
BENTE: Es gibt viel mehr junge Frauen in der U20-Szene. Und: Es kommt auch nicht mehr so oft die Frage: „Warum gibt es so wenig Frauen beim Poetry Slam?“ Das war vor zehn Jahren noch ganz anders.

Was werdet ihr beim Benefiz-Slam lesen?
MONA: Bei mir liegen einige halbfertige Texte rum, die geschrieben werden wollen (lacht).

BENTE: Ich bin mir noch nicht so ganz si-cher. Ich bin jetzt aber nicht mehr so blöd wie bei der 20-Jahr-Feier von Hinz&Kunzt. Da hatte ich einen Text über ein WG-Casting mitgebracht. Bis ich gemerkt habe, dass der total unangebracht war. Ich habe gemerkt, dass ich gucken muss: Was setze ich eigentlich voraus? Dass alle Leute eine Wohnung haben? Dass alle Leute bestimmte Privilegien haben? Das ist mir in dem Mo- ment so aufgefallen. Ich habe den dann einfach gekürzt und die Stellen rausgelassen. Das war so ein Aha-Moment.

Interview: Simone Deckner
Foto: Dmitrij Leltschuk

Kampf der Künste präsentiert: Poetry-Slam „Momentaufnahme #3“, Do, 3.9., 20 Uhr. Mit David Friedrich, Svea Groß, Lennart Hartmann, Mona Harry, Danny Koch, Hannes Maaß, Monika Mertens, Bente Varlemann, Meral Ziegler. Moderation: Michel Abdolahi. Cap San Diego, Luke 5, Überseebrücke, Landungsbrücken. Vorverkauf: 10 Euro + Gebühr. Abendkasse: 13 Euro. Ermäßigung nur an der Abendkasse: 10 Euro (Schüler u. Studenten). Online-Tickets hier.

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