Reeperbahn-Festival : Matula haut es raus

Die Hamburger Rockband Matula überzeugte am vergangenen Wochenende die Besucher des Reeperbahn-Festivals. Im Interview mit Hinz&Kunzt erzählen sie von ihren musikalischen Anfängen als Dorfpunks im schleswig-holsteinischen Neumünster.

(aus Hinz&Kunzt 259/September 2014)

Hinz&Kunzt: Ihr kommt aus Neumünster. Die umstrittene CSU-Politikerin Christine Haderthauer ist auch von da, ansonsten ist Neumünster eher unscheinbar.
Stefan: Moment, Gunter Gabriel hat mal einen Song über Neumünster gemacht. „Neumünster, du coole Stadt“ oder so ähnlich.

Wie cool ist Neumünster?
Stefan: Na ja, geht so.
Thorben: Das hängt davon ab, was man vom Leben will. Wir kommen sogar aus einem Vorort von Neumünster: Einfeld ist noch mal acht Kilometer entfernt.
Stefan: Man kann mit dem Bus rein in die Stadt fahren, aber nachts kommt man nicht mehr raus. Cool in Neumünster war das alternative Jugendzentrum AJZ. Da hat alles angefangen. Wenn das nicht gewesen wäre, dann weiß ich auch nicht …

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Eines dieser alternativen, etwas chaotischen Jugendzentren?
Thorben: Ja, tagsüber nutzen viele Menschen mit Migrationshintergrund die Angebote der Jugendarbeit. Abends gibt es dann einen „Schichtwechsel“ und die Antifa- und Konzertleute kommen. Aber es gab auch Überschneidungen. Wenn ein Türsteher gefehlt hat, ist man in den Kiosk um die Ecke gegangen und hat gesagt: „Ist Murat da?“ Der war halt noch mal fünf Jahre älter und hatte dickere Oberarme.
Stefan: Bei den Konservativen war der Laden verpönt. Jedes Wochenende waren 200 Jugendliche auf der Straße und haben in Do-it-yourself-Manier Punk-Konzerte organisiert. Ganz normale Leute wie du und ich. Das hat uns derbe angefixt. Wir dachten: Wenn die das können, kriegen wir das wohl auch hin.

Ihr habt davon geträumt, berühmt zu werden, als ihr mit Matula 2003 angefangen habt?
Thorben: Der Traum, berühmt zu werden, hat sich ziemlich schnell erledigt, als man die ersten Aufnahmen gehört hat (lacht). Nee, fürs Berühmtwerden haben wir das nie gemacht. Darum geht es auch gar nicht in der DIY-Szene.
Stefan: Wir hatten einfach nur Bock, in einer Band zu sein und loszufahren.
Thorben: Wir haben dann aber schnell gemerkt, dass man sich alles erarbeiten muss. Man betreibt einen immensen Zeitaufwand dafür, in Neuruppin vor zwölf Leuten zu spielen.
Stefan: In Neuruppin war nur einer! Der besoffene Punk an der Orgel. Wir fanden das trotzdem voll gut: Hey, wir sind in Neuruppin!

Wie kamt ihr überhaupt zur Musik?
Stefan: Mit sieben Jahren war ich Guns-’n’-Roses-Fan. Dann kam Roxette, und dann aber hat mein älterer Bruder Metal und Punk angeschleppt.
Thorben: Bei uns gibt es ja delta radio, da lief auch schon mal Nirvana, Smashing Pumpkins, Tocotronic und ganz viel Pearl Jam … (singt) „Ohooo I’m still alive“ (lacht). Bei der Kieler Woche habe ich mal die Weakerthans und Jimmy Eat World gesehen. Das hat mich total umgehauen.
Stefan: Wir haben uns über diese Musik identifiziert. Es hat lange gedauert, bis man sie gefunden hat. Heute hast du das Internet und kannst alles hören zu jeder Zeit. Du brauchst gar nicht mehr rauszugehen.

Rausgehen war wichtig?
Stefan: Ja. Ich habe schon mit 15 den Song „Für ein Leben“ angefangen, der auf unserem aktuellen Album ist. Der handelt vom typischen Dorfleben. Von Leuten, die wie in einer Blase leben. Die sich in ihren Vorgärten verbarrikadieren, während andere den ganzen Tag vorm Edeka sitzen und saufen. Das ist beides nicht geil. Es gibt mehr.

Im Text heißt es: „Was ist das für ein Leben? Das man nicht führen kann?“
Thorben: Wir haben nicht sofort Antworten parat.
Stefan: Wir springen den Leuten nicht so ins Gesicht. Unsere Musik erfordert es schon, dass man sich ein bisschen damit beschäftigt. Das finde ich spannend. Deswegen machen wir es.

Ihr schreibt beide die Texte. Was ist euch dabei wichtig?
Stefan: Persönliche Berührungspunkte. Ich kann nicht darüber schreiben, dass ich Aktien gekauft habe und die haben mich übers Ohr gehauen und dass ich jetzt leider meine Jacht verkaufen muss (lacht). Das würde nicht funktionieren.

Ihr lebt mittlerweile in Hamburg und Kiel und habt normale Jobs. Lässt sich das mit Matula vereinbaren?
Stefan: Ich arbeite bei der Telekom. Klar, es könnte noch ein bisschen mehr Lametta sein, aber vom Grundding her ist das schon alles so, wie ich mir das vorstelle. Früher im Dorf waren wir die Freaks. „Dat wird euch schon vergehen später“, hieß es dann. Man muss aber nicht seine ganzen Grundsätze über Bord schmeißen, nur weil man arbeiten geht. Das geht durchaus zusammen.
Thorben: Auch wenn die Musik mich bislang nicht ernährt hat, ist sie immer noch meine Priorität. Bald beginnt mein Referendariat an einer Sonderschule.

Sonderschullehrer? Nicht eben die einfachste Aufgabe!
Thorben: Ich liebe Probleme, nein – ich liebe Herausforderungen.
Stefan: Deswegen bist du in der Band.

Interview: Simone Deckner
Foto: Andreas Hornoff

Matula treten im Rahmen des Reeperbahn-Festivals (17.–20. September) am Freitag, 19. September, um 23.40 Uhr im Kaiserkeller, Große Freiheit 36, auf. Tickets ab 39 Euro unter www.reeperbahnfestival.com.