„Legen Sie die Akte nach unten!“

Ralph Bornhöft, Chef der Ausländerbehörde, über Abschiebungen und den schlechten Ruf seines Hauses

(aus Hinz&Kunzt 148/Juni 2005)

Erst will Hamburg erster sein beim Abschieben von Afghanen, und nichts klappt. Zum Beispiel werden Afghanen zur Ausreise aufgefordert, die eigentlich bleiben dürfen. Dann ein Dokumentarfilm, der Mitarbeiter der Ausländerbehörde beim miesen Umgang mit Ausländern zeigt. Und schließlich wird Behördenleiter Ralph Bornhöft unterstellt, er mache das Ganze absichtlich, um dem parteilosen Innensenator Udo Nagel zu schaden. Weil Bornhöft Sozialdemokrat ist. Die Hamburger Ausländerbehörde und ihr Chef haben derzeit nur negative Schlagzeilen.

H&K: Herr Bornhöft, sind Sie und Ihre Mitarbeiter unfähig oder wollen Sie Udo Nagel eins auswischen?

Bornhöft:(zeigt auf sich): Sie sprechen gerade mit dem trojanischen Pferd. Eine völlig absurde Geschichte.

H&K: Aber es gab Pannen bei den Abschiebevor-bereitungen für Afghanen.

Bornhöft: Da sind einige Vorladungen rausgegan-gen, in denen die Sachbearbeiter sich im Hinblick auf die Aufenthaltsdauer schlicht verrechnet haben. Und dann hat es noch eine Stichtagsveränderung gegeben, für die die Behörde allerdings nun wirk-lich nichts kann. Für die betroffenen Afghanen ist das furchtbar, dafür habe ich mich auch entschul-digt.

H&K: In einem Dokumentarfilm über die Behörde prangt auf dem Monitor einer Mitarbeiterin ein Bildschirmschoner mit dem Text „Wir buchen, Sie fluchen – mit freundlicher Unterstützung der Never Come back Airlines“. Ein anderer Mitarbeiter berät vorsätzlich eine Frau falsch, die in Deutschland bleiben will, weil ihr Vater im Endstadium an Krebs leidet. Was haben Sie in den beiden Fällen unternommen?

Bornhöft: Von Vorsatz kann keine Rede sein. Der Mitarbeiter hätte in diesem ungewöhnlichen Einzelfall allerdings seinen Vorgesetzten ein-schalten müssen. Im Übrigen haben wir der Frau jetzt eine vorüberge-hende Duldung erteilt. Der Bildschirmschoner war absolut nicht in Ord-nung, der ist sofort entfernt worden. Aber er war mit Sicherheit kein Ausdruck von Ausländerfeindlichkeit, sondern von Frust.

H&K: Warum Frust?

Bornhöft: Es gibt in Hamburg zehn Ausländerbehörden. Die anderen neun sind in den Bezirken, dort werden Aufenthaltsgenehmigungen erteilt. Wir als Zentrale sind für Asylbewerber und Flüchtlinge, für Ab-schiebungen und Ausweisungen zuständig. Unsere Mitarbeiter haben ganz wenig Fälle, in denen sie eine positive Entscheidung treffen kön-nen, weil diese Fragen schon geprüft sind. Und jeden Tag müssen die Mitarbeiter erleben, dass die bevorstehende Rückführung nicht zum Erfolg führt, weil die Betroffenen mit immer neuen Einwänden kom-men.

H&K: Wird unter dem CDU-Senat mehr abgeschoben als unter Rot-Grün?

Bornhöft: Die Zahl der Rückführungen war in den Jahren 2000 bis 2003 vor allem deswegen höher als in den Vorjahren, weil Rückfüh-rungen nach Jugoslawien möglich geworden sind.

H&K: Man hat den Eindruck, dass die Behörde ihren Ermessensspiel-raum nie zugunsten von Ausländern nutzt.

Bornhöft: Das hören wir immer wieder. Manche scheinen zu glauben, dass sich jede aufenthaltsrechtliche Frage infolge eines „Ermessensspielraums“ lösen lässt. Mit dem geltenden Ausländerrecht hat dieser Glaube allerdings nichts zu tun. Nach wie vor ist es in Deutschland zum Beispiel keineswegs so, dass allein ein langer Aufenthalt zum Dauer-aufenthaltsrecht führt. Da kann es vorkommen, dass jemand ausreisen muss, der 15 Jahre hier lebt und dessen Kinder hier geboren wurden. Solche Fälle kann man nur über eine Härtefall-Kommission lösen.

H&K: Hamburg bekommt jetzt eine Härtefall-Kommission, die nur aus drei gewählten Bürgerschaftsabgeordneten besteht und dem Petitions-ausschuss angegliedert ist.

Bornhöft: Ich begrüße diese Entscheidung der Bürgerschaft sehr.

H&K: Ihre Parteifreunde hatten ja andere Vorstellungen…

Bornhöft: Sie interviewen mich ja als Amtsleiter und nicht als Mitglied einer Partei. Für mich ist das wichtigste, dass wir eine Härtefallkommission haben, die effektiv arbeiten kann. Eine solche Kommission ist keine rechtliche Selbstverständlichkeit, wie vielleicht viele glauben. Und wir halten jetzt schon mindestens 50 Fälle zurück, von denen wir denken, dass sie für die Kommission geeignet sind.

H&K: Heißt das im Umkehrschluss, dass es vorher gar keine Möglich-keit gab, Extremfälle innerhalb der Behörde zu entscheiden?

Bornhöft: Nur bei Ausnahmen wie etwa schwerer Krankheit, die im Heimatland nicht behandelt werden kann. Die Fälle, die wir lösen wollen und die wir gelöst haben, sind eher auf dem leisen Weg zu regeln. Laut ist dagegen die Kritik an den Fällen, die wir nicht positiv lösen können. Wir haben aber auch schon geholfen, wenn ein Jugendlicher kurz vor einem Schulabschluss steht. Da kamen dann Mitarbeiter und fragten mich um Rat.

H&K: Und was haben Sie gesagt?

Bornhöft: „Legen Sie die Akte nach unten“, will heißen: Erteilen Sie eine Duldung bis zum Schulabschluss. Das werden wir auch weiterhin so machen.

H&K: Haben Sie interne Ziele? Beispielsweise eine der publikums-freundlichsten Ausländerbehörden Deutschlands zu werden?

Bornhöft: Wir machen schon einiges: Fortbildungen zu fachlichen Fra-gen und zum Umgang mit dem Publikum. Aber wir haben aus Sicht der Ausländer regelhaft nichts zu geben, sondern nur etwas zu nehmen, nämlich den Aufenthalt in Deutschland. Wie sollen wir uns da bewer-ben, die publikumsfreundlichste Ausländerbehörde zu werden?


Interview: Birgit Müller

Weitere Artikel zum Thema