Appell im Flüchtlingsstreit : „Brücken bauen“

Im Streit um die afrikanischen Flüchtlinge wollen Diakonie und Kirche vermitteln. Landespastorin Annegrethe Stoltenberg appelliert an den Senat, Gespräche aufzunehmen. Doch die Innenbehörde besteht auf geregelte Verfahren und will den Flüchtlingen nichts versprechen.

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Die Flüchtlinge haben Angst vor einer Abschiebung. Bislang übernachten 80 von ihnen in der Kirche auf St. Pauli.

Diakonie und Kirche fordern den Senat auf, Gespräche mit den Flüchtlingen aufzunehmen. „Die Flüchtlinge machen trotz großer und berechtigter Ängste immer wieder Schritte in Richtung Senat“, sagt Landespastorin Annegrethe Stoltenberg. „Es ist heute in Hamburg genauso wie in Berlin und in Brüssel an der Zeit, Brücken zu bauen und nicht abzubrechen.“

Aber die Innenbehörde beharrt auf dem Standpunkt, dass es keine anonyme Gruppenlösung für die Flüchtlinge geben wird. „Die Chance auf eine Perspektive hier in Hamburg besteht nur, wenn sich die Personen einer Einzelfallprüfung stellen“, so Innenbehördensprecher Frank Reschreiter. Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Ksenija Bekeris ergänzt: „Die Zusicherung einer fairen Einzelfallprüfung und eines legalen Aufenthaltsrechts während des behördlichen Verfahrens für die afrikanischen Flüchtlinge gilt.“

Die Afrikaner fürchten allerdings, dass sie im Anschluss an das Verfahren abgeschoben werden. In einem Offenen Brief an den Senat hatten sie erklärt: „In unserer verzweifelten Lage müssen wir wissen, was passieren wird, wenn wir unser Leben den Behörden anvertrauen.“

„Abschottung, Abschiebung und Ausgrenzung sind keine Lösung.“

„Wir können heute auch nicht sagen, wie genau eine gute Lösung aussieht“, räumt Stoltenberg ein. Die Situation sei für den Senat schwierig. „Klar ist aber, dass jede weitere Eskalation schädlich ist und vermieden werden muss.“ Eine Rückführung der Flüchtlinge lehnt sie strickt ab: „Die jüngsten Todesfälle vor Lampedusa machen doch auf grausame Art deutlich, was wir eigentlich schon lange wissen: Abschottung, Abschiebung und Ausgrenzung sind eben keine Lösung.“

Stoltenberg appelliert an den Senat, zu einer humanen Einwanderungspolitik beizutragen. Eine politische Debatte zu diesem Thema regt inzwischen auch Mark Classen, stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender in der Bezirksversammlung Altona, in seinem Blog an. Er weist darauf hin, dass nach Schätzungen des paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Hamburg 6000 bis 22.000 Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung leben: „Der Staat duldet ihre Existenz solange sie unsichtbar bleiben“, schreibt Classen in seinem Blog. „Aber in dem Moment, in dem sie sich organisieren und laut Rechte einfordern, die eben nicht im Ausländerrecht kodifiziert sind, sondern sich auf die Grundwerte unserer Verfassung, auf die Würde des Menschen beziehen, herrscht eine beängstigende politische Sprachlosigkeit.“

In ihrer Notlage freuen sich die Flüchtlinge aus der Kirche auf St. Pauli über jede Ablenkung: Am Freitag werden sie auf Einladung des FC St. Pauli abends die Begegnung des Clubs mit dem SV Sandhausen besuchen. In einer Stellungnahme hatte sich das Vereinspräsidium zuvor auf die Seite der Flüchtlinge gestellt und eine Lösung eingefordert, „die den Flüchtlingen gerecht wird“. Nach Ende der Partie wollen Anwohner und Fußballfans die Flüchtlinge mit einem großen Protestzug zurück zur Kirche begleiten.

Text: Jonas Füllner
Foto: Benjamin Laufer

Mit der Filmreihe „Flucht“ zeigt das Lichtmeß-Kino in Ottensen bis Ende November jeden Dienstagabend Filme zum Thema. Zum Abschluss der Reihe läuft am 26. November der Film „Lampedusa auf St. Pauli“.