Kaffeekränzchen auf Albanisch

Zwischen südosteuropäischen Mythen und Vierländer Verwandtschaft: Jugendredakteurin Shota Ahmeti fühlt sich in zwei Kulturen zu Hause

(aus Hinz&Kunzt 156/Februar 2006)

„Sind Sie schon verheiratet? Nee, oder?“ Diese Frage kommt jedes zweite Mal, wenn die Leute meinen Namen hören. Eine andere Erklärung als eine Heirat scheinen sie nicht zu kennen. Denn ich bin dunkelblond, habe blaue Augen und entspreche in meinem äußeren Erscheinungsbild wohl allen Kriterien, die zum Deutsch-Sein gehören. Aber ich heiße Ahmeti mit Nachnamen.

Meinen Nachnamen verdanke ich meinem Vater, einem albanischen Gastarbeiter, der seit 1971 hier lebt. Meine Mutter ist Deutsche, und wohl so ur-hamburgisch, wie man es nur sein kann. Sie „schnackt“, liebt Labskaus und hat skurrile Verwandte in den Vierlanden, die man nur versteht, wenn man Völkerkundler ist. Auf den ersten Blick füge ich mich nahtlos in ihre Familie ein.

Wie definiert man Identität? Ich denke, diese Frage hat sich jede schon mal gestellt, die in einer gemischten Familie groß geworden ist. Mir stellt sie sich spätestens, wenn ich beim Nachmittagskaffee – auch so eine typisch deutsche Eigenart – einen Hanseaten in mich hineinstopfe, dabei Albanisch spreche und dann bemerke, dass nur mein Vater und ich es verstehen. Oder auf einer albanischen Hochzeit, die Augen zukneifend, wird man doch schnell erschlagen von all den Farben. Ein tristes deutsches Wohnhaus von außen, ein explosiv-bunter Hexenkessel innen. Nicht auf die Dekoration wird viel Wert gelegt, sondern auf die Kleidung. Sie müssen nämlich wissen, dass sich albanische Frauen bei einer solchen Festivität ungefähr jede Stunde umziehen. Wahrscheinlich demonstrieren sie damit die Belastbarkeit des Gatten-Portmonees. Die Belastbarkeit des eigenen Trommelfells kann man übrigens auch gut testen, wenn man sich näher als drei Kilometer an die Stereoanlage heranwagt.

Wie anders feiern die Deutschen! Wir waren auf dem Geburtstag meiner Tante Maxi, im besagten Hamburger Umland. Wirklich anheimelnd war die Einrichtung in „Eiche rustikal“ nicht, trotz beheizten Kachelfußbodens. Für deutsche Verhältnisse war es familiär. Ungefähr 30 Menschen saßen gemeinsam am Kaffeetisch. Ich betone, es war ihr Geburtstag! Nach albanischen Maßstäben erinnerte es eher an eine Trauergemeinschaft. Die Geschmäcker hinsichtlich Lautstärke und Intensität von Freudenfesten gehen da sehr auseinander.

Wirkliche Reibungspunkte spüre ich in mir nicht. Ich benutze jeweils die Mentalität, die ich gerade gebrauchen kann. Und die mir liegt. Meistens siegt der albanische Teil und ich verpacke albanisches Verständnis in deutsche Worte. Das klingt jetzt sicherlich seltsam, aber es stimmt wirklich. Die Denkweise ist eine völlig andere. Das macht sich in der Sprache bemerkbar. Wenn man etwas sehr genau ausdrücken will, sollte man sich der deutschen Sprache bedienen. Man kann jede Feinheit in einem Satz unterbringen. Die albanische Sprache ist etwas ausgeschmückter. Und es geht nicht so schnell. Man braucht ungefähr zwei Sätze und vier Nebensätze, um etwas haargenau so auszudrücken, wie man es sich vorstellt. Und selbst dann bleibt noch Raum für Doppeldeutigkeiten.

Wahrscheinlich bin ich eher albanisch, weil mein Vater nachmittags zu Hause war. Das hat mich natürlich geprägt. Ein Kind merkt sich alte Mythen, die Sprache und Kultur eines Volkes erstaunlich gut. Vielleicht prägen sie sich sogar stärker ein, wenn nur eine einzige Person all das weitergibt. Die Kultur bekommt einen höheren Stellenwert. Sicherlich idealisiert man als Kind auch vieles. Aber das Fundament der Erziehung basiert auf Überlieferungen. Mein Vater prägte im Grunde mein soziales Verhalten. Aber den Spagat zwischen den Kulturen schaffe ich eigentlich immer: Zu Hause hängt bei mir im Zimmer eine albanische Flagge, und nachmittags riecht es nach Sauerkraut und Würstchen.

Nun mag man sich fragen: Was bin ich eigentlich? Ich würde sagen: etwas dazwischen. Immer etwas dazwischen. Schließlich ist jeder „Mischling“ ein Puzzle. So ein Puzzlebild sieht man, wenn ich mich mit meinem Vater unterhalte. Er redet Albanisch und ich antworte aus Bequemlichkeit oft auf Deutsch. Meine „ausländischen“ Freunde betrachten mich als Ausländerin. Die deutschen Freunde wohl auch, obwohl sie davon überzeugt sind, dass ich doch etwas anders bin als eine Ausländerin. Es gehört im Grunde alles nicht zusammen, passt aber doch.

Autor: Shota Ahmeti

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