Soziale Initiative : Kultur für alle

Ein Jahr nach dem Start hat die Kulturloge Hamburg schon 3000 Tickets für Kulturveranstaltungen in der Stadt an Menschen mit geringem Einkommen weitergegeben. Die können so kostenlos Theater, Konzerte und Lesungen besuchen.

Schlüssel zur kulturellen Teilhabe: Das Motto der Kulturloge

Seit einem Jahr verteilt die Kulturloge Hamburg Kulturveranstaltungen nach dem Tafelprinzip: Sind Karten für  Theateraufführungen, Puppenspiel oder Lesung übrig, werden sie an Menschen verschenkt, die sich den Eintritt selbst nicht leisten können. Rund 3000 Tickets fanden in den vergangenen Monaten schon den Weg zu dankbaren Abnehmern, rechnerisch mehr als zehn pro Tag. Mal sind es Einzelkarten, die der Kulturloge gemeldet werden, manchmal gibt es richtige Kontingente. Dann rödeln die Ehrenamtlichen ganz schön und rufen Dutzende Logen-Gäste an, um die Tickets loszuwerden.

Im Januar 2011 startete die Kulturloge Hamburg mit einer Hand voll Kooperationspartnern, vor allem Stadtteilbühnen und unabhängigen Veranstaltern. Das sieht heute anders aus: Unter den 42 Partnern sind jetzt unter anderem auch das Schauspielhaus, das Literaturhaus und die Kunsthalle. „Das ging irgendwann wie von selbst“, sagt Ute Kruse-Fischer, Ehrenamtliche im Arbeitskreis Presse der Kulturloge. „Es ist schon toll, mitzuerleben, wie so ein Projekt sich entwickelt und immer größer wird.“

Mehr als 1000 Menschen erreicht die Kulturloge in Hamburg, 750 sind direkt registriert, rund 250 über soziale Einrichtungen wie die Tafel, die bei der Verteilung helfen. Ihre Vorlieben für Theater, Lesungen oder Sportevents geben die Gäste bei der Registrierung an. Logengast kann werden, wer ein geringes Einkommen nachweist, mit dem Behördenbescheid über den Bezug von Sozialleistungen oder bei geringem Verdienst mit der Lohnabrechnung. Seine Bedürftigkeit schwarz auf weiß fremden Menschen zu zeigen, fällt oft schwer.

Schenkerin und Beschenkte: Petra Müller ist Logengast und arbeitet beim Projekt ehrenamtlich mit.

Dass das Angebot trotzdem so gut angenommen wird, liegt wohl auch daran, dass die Vermittlung ganz diskret passiert: Die Gäste werden zuhause von Ehrenamtlichen angerufen und kriegen Angebote für ganz bestimmte Veranstaltungen. Wer zusagt, dessen Name landet auf einer Gästeliste. Die Gäste der Kulturloge melden sich an der Kasse nur mit ihrem Namen und dem Stichwort „Kulturloge“. Ganz unkompliziert. Seine Bedürftigkeit muss dort niemand nochmal nachweisen. „Man wird da behandelt wie ein VIP“, sagt Petra Müller und lacht. „Wie ein ganz besonders wichtiger Gast.“ Die 57-Jährige nimmt das Angebot der Kulturloge als Gast in Anspruch und arbeitet selbst als Ehrenamtliche im Vermittlungsteam mit.

Dass alles reibungslos klappt, dafür übernehmen auch die Gäste Verantwortung: Wer eine Veranstaltung doch nicht besuchen kann, muss absagen. „Schließlich könnte dann ja jemand anders die Chance bekommen“, sagt Petra Müller. Wer dreimal nicht kommt, ohne abzusagen, wird als Gast gesperrt. Da müssen die Kulturlogisten streng sein. Das Prinzip ist: Alle Beteiligten – die Kulturveranstalter wie die Logengäste – fühlen sich verantwortlich. Dann profitieren auch alle. Die Gäste von kostenlosen Tickets und die Veranstalter mit ihren Künstlern davon, dass sie nicht vor halbleeren Rängen spielen.

Das erste Mal, als Frührentnerin Petra Müller selbst nach langer Zeit wieder im Theater war – jetzt spricht sie mehr als Gast – „das war so toll. Ich hätte heulen können“. Viele Jahre hat ihr das gefehlt: sich schick machen, ausgehen, unter Leuten zu sein. 25 Jahre arbeitete sie in der Krankenpflege, dann zehn Jahre in Callcentern. Für Theater und Co. war nie Geld übrig: „Ich habe ja nie viel verdient, ich konnte mir so was nicht leisten“. Und auch ihre Rente reiche dafür nicht. Nun ist Petra Müller wieder mittendrin. Und fühlt sich pudelwohl mit dem Gefühl „wieder dazuzugehören“.

Text und Fotos: Beatrice Blank

Informationen und Registrierung als Gast: www.kulturloge-hamburg.de