Arbeitsgericht Hamburg : Reinigungsfirma stellt sich stur

Sie putzten Zimmer im Luxushotel  – und wurden mit Dumpinglöhnen abgespeist. Nun verhandelte das Arbeitsgericht erste Klagen gegen die Reinigungsfirma. Obwohl 23 Betroffene je mehrere tausend Euro fordern, hält das Radisson Blu am Dienstleister fest.

Wurden Reinigungskräfte, die im Auftrag der Firma Erdmann im Radisson-Hptel putzten, mit Dumpinglöhnen abgespeist? Das muss das Hamburger Arbeitsgericht klären.

Die ersten Güteverhandlungen zwischen ehemaligen Beschäftigten und der Erdmann Dienstleistungs-GmbH sind vor dem Hamburger Arbeitsgericht gescheitert. Insgesamt 23 Betroffene haben Klage eingereicht. Sie haben für die Hotelreinigungsfirma Zimmer im Radisson Blu geputzt und fühlen sich um Lohn betrogen. Es geht um meist mehrere Tausend Euro.

Die Erdmann Dienstleistungs-GmbH hatte den Lohn der Kläger nach der Zahl der Zimmer berechnet, die diese geputzt hatten. Im Ergebnis lagen die Stundenlöhne der Betroffenen deutlich unter den 8,82 Euro, die als Branchen-Mindestlohn nicht unterschritten werden dürfen (Hinz&Kunzt berichtete: Dumpinglöhne im Radisson?). Lenkt die Hotelreinigungsfirma nicht noch ein, wird das Arbeitsgericht vermutlich erst im Lauf des kommenden Jahres Urteile fällen. Die Chancen für die Kläger stehen gut: Bei der heutigen Verhandlung, bei der es um neun Klagen ging, ließ die Richterin durchblicken, dass sie die Abrechnungspraxis der Erdmann Dienstleistungs-GmbH für nicht rechtens hält: „Der Mindestlohn muss auch mindestens bezahlt werden.“

Die Anwältin der Reinigungsfirma erklärte in der Verhandlung lediglich, angesichts der „vielen Verfahren“ komme für Erdmann „im Einzelverfahren keine gütliche Einigung in Betracht“. Nach dem Gesetz soll das Arbeitsgericht immer auf einen Vergleich hinwirken. Rechtsanwältin Victoria Müller, die 19 der 23 Betroffenen vertritt, erklärte auf Nachfrage des Gerichts, sie könne sich eine gütliche Einigung vorstellen, wenn Erdmann „70 bis 80 Prozent“ der geforderten Summen zahlen würde. Die Richterin ließ durchblicken, dass sie das für einen realistischen Vorschlag halte.

Nicht gezahlte Löhne lassen sich beim Arbeitsgericht grundsätzlich schwer zu 100 Prozent einklagen. Denn die Betroffenen müssen jede einzelne Arbeitsstunde, um die es geht, mit Dokumenten oder durch Zeugenaussagen nachweisen. „Das ist unser Prozessrisiko“, so Rechtsanwältin Müller. „Wir wissen ja nicht: Können sich die Betroffenen noch an jeden einzelnen Arbeitstag erinnern?“

Drei Gütetermine im Fall Erdmann endeten bereits in den vergangenen Wochen ohne Einigung, weitere Verhandlungen hat das Arbeitsgericht für die kommenden Wochen anberaumt. Insgesamt haben inzwischen 23 ehemalige Mitarbeiter Klage gegen die Reinigungsfirma eingereicht. Zudem ermittelt die Staatsanwaltschaft Leipzig gegen die Erdmann Dienstleistungs-GmbH. Oliver Staas, General Manager des Radisson Blu, erklärte auf Nachfrage von Hinz&Kunzt, sein Haus gleiche derzeit Lohnunterlagen von Erdmann mit eigenen Listen ab, die die Herausgabe von Zimmerschlüsseln an Reinigungskräfte dokumentierten. „Wir haben einen Teil geprüft. Bislang ist alles in Ordnung.“ Sollte man jedoch „Auffälligkeiten entdecken, werden wir uns von der Firma trennen“.

Hinz&Kunzt hat mit mittlerweile drei großen Hotelreports über Reinigungsfirmen berichtet, die ihre Mitarbeiter mit Dumpinglöhnen abgespeist hatten. Die betroffenen Hotels hatten in solchen Fällen immer erklärt, sie würden ihre Dienstleister vertraglich dazu verpflichten, den Branchen-Mindestlohn zu bezahlen. Die Ausbeutung verhindern konnten sie damit nicht.

Text: Ulrich Jonas