Woche gegen Rassismus : Hamburg steht auf

Am Donnerstagnachmittag hat in Hamburg die internationale Woche gegen Rassismus begonnen. In über 60 Veranstaltungen wird über menschenfeindliche Einstellungen aufgeklärt, am Ende steht eine große Demonstration dagegen. Es gibt aber auch Kritik.

Spielt das KZ-Opfer Peter: Schauspieler Wolfgang Hartmann

Laut lachend und singend freut sich Peter über die neue Langspielplatte von Teddy Stauffer. Er steht vor dem Schallplattenhaus Benjamin am Alten Wall, direkt neben dem Hamburger Rathaus. Der Swing-Fan sieht aus, als hätte er lange nicht mehr gelacht. Sein Kopf ist mit blutdurchtränkten Binden bandagiert, sein Gesichtsausdruck fahl. „Die Gestapo dort hinten an der Stadthausbrücke hat lange Ohren!“, ermahnt ihn Lisa zur Stille. „Ach, scheiß Gestapo, ihr könnt mich mal!“, ruft Peter laut in Richtung der Geheimen Staatspolizei. „Die kenne ich schon.“ Dann erzählt er, wie er für seine Vorliebe von Swing-Musik denunziert wurde und dafür ins Konzentrationslager Neuengamme kam, dort misshandelt wurde.

Die Szene spielt im Hamburg des Nationalsozialismus und ist so genau wohl nie passiert. Peter heißt in Wirklichkeit Wolfgang Hartmann, Lisa hört auf den Namen Herma Koehn. Die Schauspieler eröffneten mit ihrem szenischen Stadtrundgang „Wege nach Neuengamme“ am Donnerstagnachmittag die internationale Woche gegen Rassismus, die unter dem Motto „Hamburg steht auf“ stattfindet. Rund 50 Interessierte sind gekommen und absolvieren die zehn Stationen in der Hamburger Innenstadt, an denen Insassen des KZs Neuengamme gewirkt hatten.

Anlass ist der internationale Tag gegen Rassismus, den die UN bereits 1966 am 21. März ausgerufen hat. „In Deutschland wurde der leider nie wahrgenommen“, sagt Jörn Menge, obwohl rechtsextremistisches Gedankengut mittlerweile gesellschaftsfähig geworden sei. „Wir suchen immer Möglichkeiten, das Thema Rechtsextremismus mit seinen Folgen zu thematisieren“, sagt Menge, der sich mit Laut gegen Nazis bereits seit zehn Jahren gegen Rechts engagiert. Rechtspopulisten wie Thilo Sarrazin sorgten dafür, dass rechtsextremes Gedankengut auch in der Mitte der Gesellschaft Zustimmung finde: Rassismus, Antiziganismus, Antisemitismus, Homophobie und Menschenverachtung. Die Aktionswoche soll ein Zeichen dagegen sein.

Migranten fühlen sich nicht repräsentiert

In einem offenen Brief wendet sich eine Migranteninitiative an Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), der die Schirmherrschaft für die Aktionswoche übernommen hat. Es fehle die Perspektive von Betroffenen im Veranstaltungsprogramm, antimuslimischer Rassismus werde auch nicht thematisiert. „Antirassismus darf nicht als Schablone für die Imagepflege einer Stadt oder ökonomischen Interessen dienen“, heißt es in dem Brief, den die Ramazan-Avci-Initiative Hamburg verfasst hat. „Grundsätzlich finden wir natürlich jeden Schritt antirassistischer Arbeit gut“, sagt Initiativen-Sprecherin Leman Stehn. „Aber wir sehen Defizite.“

„Der Rassismus aus der Mitte der Gesellschaft ist gefährlicher als der mit den Springerstiefeln“, sagt Ünal Zeran von der Initiative. Er kritisiert, dass sich die Veranstaltungsreihe auf Neonazis konzentriere und verweist auf Studien, die belegen, dass Rassismus in der deutschen Gesellschaft weit verbreitet ist. Der Bielefelder Soziologe Wilhelm Heitmeyer fand in seiner Studie „Deutsche Zustände“ heraus, dass im Frühjahr 2011 47,1 Prozent der Befragten die Auffassung vertraten, in Deutschland lebten „zu viele Ausländer“. Etwa ein Drittel glaubte, dass es zwischen weißen und schwarzen Menschen „natürliche Unterschiede“ gebe.

„Mehr als eine plakative Aktion“

„Wir kommen immer sehr plakativ um die Ecke“, räumt Kampagnensprecher Jörn Menge ein. Viele würden nicht hinter diese Fassade schauen. „Da kann ich nur empfehlen: guckt mal genauer hin! Laut gegen Nazis ist mehr als eine plakative Aktion“, findet der Vereinsvorsitzende. Auch Alltagsrassismus und Flüchtlingspolitik werde thematisiert. Menge verweist auf Workshops in Kooperation mit Pro Asyl, die in dieser Woche an Hamburger Schulen gehalten werden. Und er erinnert an die Podiumsdiskussion zur Asyl- und Flüchtlingspolitik, die am 19. März um 18 Uhr an der Uni Hamburg stattfindet.

Höhepunkt der Aktionswoche ist eine Abschlusskundgebung auf dem Fischmarkt. Am 24. März geht’s dort um 15 Uhr mit Konzerten von Noah Sow und Dirk Darmstädter los. Im Anschluss soll eine Demonstration bis zum Spielbudenplatz ziehen. Am Abend findet im dortigen Docks dann das Abschlusskonzert statt. Unter anderem mit dabei: Smudo von den Fantastischen Vier und Jan Delay. „Wir wollen zeigen: Hier in dieser Stadt stehen Leute gegen Alltagsrassismus und Rechtsextremismus auf“, sagt Jörn Menge. „Das soll auch bundesweit ein Zeichen setzen.“

Mehr als 60 Veranstaltungen finden im Rahmen der Aktionswoche statt. Lesungen und Konzerte werden ergänzt durch Vorträge und Podiumsdiskussionen, 20 Workshops finden in Hamburger Schulen statt. Das komplette Veranstaltungsprogramm gibt es hier.

Text und Foto: Benjamin Laufer