„Hamburg hält mich fest“

Dito, 28, lebt seit November in Hamburg und verkauft seit Dezember Hinz&Kunzt in der Innenstadt.

(aus Hinz&Kunzt 230/April 2012)

Ins GEFANGNIS möchte Dito nie wieder. Sie will jetzt ein ganz normales Leben führen.

Wenn Dito von Hamburg erzählt, fängt sie an zu strahlen. „Ich find‘s einfach supergeil hier“, sagt die junge Frau. Seit November lebt sie jetzt an der Elbe, schläft mal auf der Straße, mal bei Freunden. „Ich wollte schon immer in der Großstadt leben“, sagt Dito. Dass sie hier gelandet ist, war eher zufall. Ein alter Freund fragt sie im Herbst, ob sie lust auf einen spontanen Urlaub habe. Der Freund fährt nach ein paar Tagen wieder, Dito bleibt. „Hamburg hat mich festgehalten“, sagt sie.

Ihr Leben war bislang selten einfach. „Mein Erzeuger war Alkoholiker und Schlägertyp“, sagt sie, ohne eine Miene zu verziehen. ihre Mutter flieht mit Dito von Bremerhaven nach Salzgitter, als sie ein halbes Jahr alt ist. Erst in der Pubertät wird es wieder schwierig für die beiden. „Mit 13 habe ich angefangen, Scheiße zu bauen“, sagt die heute 28-Jährige. Sie haut von zu Hause ab und klaut. „Eine meiner Grundregeln war: Alles, was illegal ist, macht Spaß“, sagt Dito mit einem verschmitzen Lächeln. Sie landet schließlich in einer betreuten Wohneinrichtung in Schleswig-Holstein. Drei Jahre sollten es werden, doch als sie16 ist, will Ditos Mutter eine Verlängerung. Aber Dito will nach Hause.

Neunmal macht sich das Mädchen auf den Weg von Lunden nach Salzgi ter, weil sie ihre Land-WG satt hat. Neunmal wird sie beim Schwarzfahren erwischt, schafft jedes Mal nur die rund
70 Kilometer bis nach Itzehoe. Beim neunten Mal dann eskaliert die Situation auf der dortigen Polizeiwache. Zwei Polizisten versperren ihr den Weg, als sie aus der Wache gehen will. „Da muss ich die eine Polizistin aus Versehen gebissen haben“, sagt Dito und lacht verlegen.

Dito zieht wieder in die Wohnung ihrer Mutter, fühlt sich dort aber nicht willkommen. Sie legt Feuer in der Wohnung, zwei Mal. „Das war einfach ein Hilfeschrei“, weiß sie heute. Dieser Hil- feschrei bringt sie nach Vechta ins Frau-engefängnis, sechs Wochen Untersuchungshaft, anschließend ein Jahr ins Landeskrankenhaus, dazu anderthalb Jahre auf Bewährung. Es folgt eine Dro- genkarriere. Ein Klingelstreich bei der Polizei bringt sie wieder in den Knast – „Missbrauch von Notrufanlagen“. Dito muss mit 19 ihre Strafe wegen der Brandstiftungen antreten, wieder in Vechta. Zwei weitere Male landet sie im Gefängnis, jeweils sechs Wochen Ersatzhaft für Geldstrafen. „Es ist im Knast nicht so schlimm, wie man es sich vorstellt“, findet Dito. „ich möchte da aber auch nicht unbedingt noch mal rein.“

H&K: Wenn du einen Wunsch frei hättest, was würdest du dir wünschen?
Dito: Ich würde mir sofort eine Wohnung wünschen und dass alle meine Probleme mit einem Fingerschnipp erledigt sind. Um den Rest würde ich mich dann gerne wieder selber kümmern.
H&K: Wie möchtest du in fünf Jahren leben?
Dito: In einer netten Wohnung mit einem Partner, der mich nimmt, wie ich bin. Vielleicht auch schon mit einem Kind. Ich will gar nicht unbedingt reich sein, aber hätte gerne einen normalen Job und eine Kleinfamilie.

Text: Benjamin Laufer
Foto: Mauricio Bustamante