Eimsbüttel : Gericht stoppt Belegung von Unterkunftsplätzen

120 Unterkunftsplätze für Flüchtlinge stehen am Offakamp in Eimsbüttel bereit. Doch den für kommende Woche geplanten Einzug von Flüchtlingen stoppte jetzt das Verwaltungsgericht Hamburg. Geklagt hatte eine Anliegerin.

Die ersten Familien sollten am kommenden Montag einziehen. Doch jetzt hat das Hamburger Verwaltungsgericht die Belegung von 120 Unterkunftsplätzen für Flüchtlinge am Offakamp in Eimsbüttel gestoppt. Das Gericht gab dem Eilantrag der Eigentümerin eines Grundstückes Nahe dem Gelände des ehemaligen Recyclinghofes statt. Dort wollte die Sozialbehörde Zuwanderer unterbringen. Die Frau forderte mit dem Antrag ihr Recht ein, dass das Gelände zu keinem anderen als zu Gewerbezwecken genutzt werden darf. Das sieht der Bebauungsplan „Lokstedt 58“ vor. Demnach ist es nicht erlaubt, auf dem Gelände zu wohnen.

Dass eine Flüchtlingsunterkunft auch einen sozialen Zweck erfüllt, spielt laut Urteilsbegründung keine Rolle: Im Bebauungsplan sind „Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke“ ausdrücklich ausgeschlossen. Das Verwaltungsgericht ordnete dementsprechend die „aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen die Baugenehmigungsbescheide“ an.

Die Sozialbehörde, die für die Unterbringung von Flüchtlingen zuständig ist, kündigte an, den Gerichtsbeschluss zu prüfen. „Wir sind dringend auf diese Flächen angewiesen“, sagte Behördensprecher Olaf Dittmann. Man bemühe sich, die Menschen, die am Montag in die Unterkunft ziehen sollten, „zumindest kurzfristig anders unterzubringen“. Die 120 Plätze sind ein Teil der Bemühungen der Sozialbehörde, mehr Unterkünfte für Flüchtlinge, aber auch für Wohnungslose zu schaffen. Die Eröffnung der Unterkunft am Offakamp hat sich bereits um Monate verzögert. Ursprünglich sollten dort schon seit Ende vergangenen Jahres Menschen leben.

Mit dem Gerichtsbeschluss verzögert sich der mögliche Einzug von Flüchtlingen nochmals erheblich. Zwar kündigte Torsten Sevecke, Leiter des Bezirksamts Eimsbüttel, an, Beschwerde gegen den Beschluss einzulegen. Doch erfahrungsgemäß vergingen „mehrere Wochen“ bis zur Verhandlung in zweiter Instanz, so ein Sprecher des Gerichts. BEB

Das nervt!

Ein Kommentar von Hinz&Kunzt-Chefredakteurin Birgit Müller

Offensichtlich ist es in dieser Stadt so gut wie unmöglich, Unterkünfte oder Wohnungen für Menschen zu bauen, die es dringend nötig haben. Neueste Kapriole: Eine Anliegerin hatte gegen neue Flüchtlingsunterkünfte am Offakamp geklagt. Das Gericht musste ihr Recht geben und stoppte die Belegung. Dem Gericht ist kein Vorwurf zu machen: Die Politik muss  die Rahmenbedingungen schaffen, dass die Umwidmung zumindest in Zeiten wie diesen und vorübergehend möglich ist.

Aber selbst wenn die Grundstücke, auf denen Unterkünfte oder Wohnungen gebaut werden sollen, Wohngebiete sind – wetten, dass es dann andere Gründe gäbe zu klagen? Weil Flüchtlinge oder Wohnungslose in der Nachbarschaft die Grundstückpreise versauen oder weil man Angst hat vor den Menschen, die kommen. Da ist es schon fast egal, ob das acht Kinder in sozialen Schwierigkeiten sind, die nach Sasel ziehen sollten, ein Hospiz oder eben Flüchtlinge. Alle stören!

Wir brauchen aber Unterkünfte, wir brauchen Wohnungen, und zwar zeitnah! Und wir brauchen Nachbarschaften, die sich für ihre neuen Mitbewohner stark machen. Quasi gelebtes Kirchentagsfeeling! Wenn wir das nicht bald mal begreifen, müssen Notunterkünfte irgendwann qua Sonderverordnung durchgesetzt werden. Ein Vorgeschmack auf solche Ausnahme-Zustände ist das jährliche Winternotprogramm. Das wird auch immer größer. Unter anderem deshalb, weil die Dauerunterkünfte für Wohnungslose und Flüchtlinge voll belegt sind – mit Menschen, die ein Recht auf eine Wohnung hätten, aber keine Chance haben, auch eine zu finden. Stichwort Wohnungsnot.

Dazu passt, dass fast zeitgleich mit der Offakamp-Verhandlung ein anderes Verfahren stattfand: gegen den Großvermieter Thorsten Kuhlmann. Jahrelang hat er rund 400 Wohnungen an Menschen vermietet, die ansonsten keine Chance auf dem Wohnungsmarkt haben: auch Drogenabhängige und Obdachlose. Die Kehrseite der Medaille: Die Wohnungen ließ er sträflich vergammeln, die Menschen müssen mit Schimmel in der Wohnung leben. Die Größe der Wohnungen gab Kuhlmann immer so an, dass das Jobcenter auch bezahlte. Betrug und Abzocke! Das Jobcenter überwies jahrelang brav die Miete für die Wohnungen. Am Dienstag sagte Kuhlmanns Anwalt: Keiner der Mieter will ausziehen. Kein Wunder: Die Bewohner sind froh, wenigstens ein Dach über dem Kopf zu haben. Nach dem Motto: Besser als auf der Straße!

Auch wir sind dafür, dass mit Augenmaß gebaut wird, dass in dieser angespannten Situation keine Wohnsilos und Gettos entstehen, die unzumutbar sind und für die man sich später schämt. Auch wir sind dafür, dass man Rücksicht nimmt auf eine gesunde soziale Mischung im Stadtteil. Aber wir sind vor allem dafür, dass die Menschen, die hier leben, eine Unterkunft haben – und dass diese Unterkunft das Wort menschenwürdig verdient.