Notunterkunft in Lokstedt : Flüchtlinge sind willkommen

Am Mittwoch ziehen die ersten 60 Flüchtlinge in die kurzfristig errichtete Containerunterkunft in Lokstedt ein. Viele Anwohner machten am Dienstagabend klar, dass sie die Menschen willkommen heißen wollen. Der Bezirk Eimsbüttel kündigte an, Unterkünfte in Zukunft vorausschauender zu planen.

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Großes Interesse: Über 200 Lokstedter kamen am Dienstagabend zur Informationsveranstaltung des Bezirksamts.

Ein Satz wie eine Drohung: „Drecksasylanten raus!“ steht mit schwarzem Filzstift auf ein Wahlplakat am U-Bahnhof Hagenbecks Tierpark geschmiert, ganz in der Nähe der neuen Notunterkunft für Flüchtlinge. Die ersten 60 von insgesamt 200 Menschen aus Tschetschenien beziehen am Mittwoch die kurzfristig errichteten Wohncontainer auf einem ehemaligen Park&Ride-Parkplatz. Hauptsächlich werden es Familien sein. Im Vorfeld hatten sich bereits Anwohner und Nutzer des Parkplatzes darüber beschwert. Es ging die Sorge um, auf der Informationsveranstaltung des Bezirks für die Anwohner am Dienstagabend könnte Stimmung gegen die Flüchtlinge gemacht werden, wie das Geschmiere am U-Bahnhof es erahnen ließ.

Doch es kam ganz anders: Die meisten der mehr als 200 Anwohner in der Aula der Grundschule Döhrnstraße wollten die Zuwanderer unterstützen. „Wir sollten das als Chance begreifen, den Menschen zu helfen“, sagte eine Anwohnerin und erntete dafür lauten Applaus. „Alle die hier sind, können mitwirken“, sagte Pastor Bernd Müller-Teichert von der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Lokstedt. „Dazu sind wir gerne bereit.“ Der Geschäftsführer des städtischen Unterkunftsbetreibers fördern und wohnen, Rembert Vaerst, berichtete von Anwohnern, die bereits Sachspenden und Unterstützung bei der Kinderbetreuung angeboten hätten: „Wir freuen uns über die Zustimmung, die wir aus der Nachbarschaft erhalten.“

Es gab aber auch Kritiker: Einige Lokstedter fühlten sich von den Behörden überrumpelt, weil das Bezirksamt die neue Notunterkunft sehr kurzfristig angekündigt hatte. „Wir hatten nur fünf Tage Zeit zwischen der Entscheidung am 28. August bis zum Aufbau der Container“, erklärte Eimsbüttels Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke (SPD) das Vorgehen. An die ehemaligen Nutzer des weggefallenen Park&Ride-Parkplatzes gerichtet sagte er, der Bezirk habe keine andere Alternative gesehen: „Diese Belastung müssen wir den Pendlern zumuten.“ Viel Widerspruch erntete auch die Frage nach dem angeblichen Sicherheitsrisiko, das die Flüchtlinge darstellen würden. Schon die Frage wurde im Saal als unangebracht aufgefasst. Sevecke betonte, der Bezirk werde bewusst keinen Zaun um das Containerdorf errichten: „Es steht Eimsbüttel gut zu Gesicht, dass wir anders als in anderen Teilen Deutschlands keine Zäune brauchen. Das ist ein freies Land!“

Sozialbehörde: „Von Flüchtlingszahlen überrascht“

Das Containerdorf in Lokstedt ist eine Notlösung. Bettina Prott von der Sozialbehörde räumte ein, dass die Unterbringung für die Bewohner eigentlich nicht geeignet ist. „Im Sommer ist das ja noch ganz charmant, aber im Winter ist es schon schwieriger“, sagte die Leiterin der Abteilung Öffentliche Unterbringung. Eigentlich strebe die Behörde an, die Flüchtlinge langfristig unterzubringen. „Das ist für die Nachbarn und die Bewohner das beste.“ Allerdings sei die Stadt von den steigenden Flüchtlingszahlen überrascht worden. „Wir müssen im Monat zwischen 400 und 450 Menschen unterbringen“, rechtfertigte Prott die Unterbringung in Containern. „Das ist mit Bordmitteln nicht zu schaffen.“ 

Dass die Notunterkunft nun so hastig errichtet wurde, hängt auch mit einer Gerichtsentscheidung zusammen. Im Juni hatten Gerichte nach einer Beschwerde geurteilt, dass auf einer Gewerbefläche am Offakamp keine Flüchtlingsunterkünfte betrieben werden dürfen. 120 Containerplätze mussten wieder abgebaut werden. Bezirksamtsleiter Sevecke räumte am Dienstag Fehler beim Vorgehen des Bezirks ein.Wir haben uns da juristisch blauäugig verhalten, weil wir gedacht haben: ‚Die Fläche ist leer, das stört keinen, das kann man machen’“, sagte er. „Pustekuchen! Das war falsch.“ 

Eimsbüttel will vorausschauender planen

In Zukunft will der Bezirk Eimsbüttel vorausschauender Unterkunftsplätze vorhalten, auch falls die Flüchtlingszahlen wieder zurück gehen sollten. „Wir müssen dafür an einigen Stellen Flächen aus unserem Wohnungsbauprogramm herausnehmen“, sagte Bezirksamtsleiter Sevecke. Auch über die Umwidmung von Gewerbegebieten werde nachgedacht. Sevecke bezeichnete es als Fehler, dass die Stadt die Zahl der Unterkunftsplätze in den vergangenen Jahren reduziert hat. „Wir sind als Bezirk nicht mehr bereit, alle 10 Jahre diese Ad-Hoc-Aktionen zu machen“, sagte er. Auch die Sozialbehörde scheint gegenüber diesem Vorgehen nicht abgeneigt zu sein: „Wenn die Zahlen wieder runter gehen, kann man überlegen, ob wir bestimmte Einrichtungen halten“, so Bettina Prott. Eine Möglichkeit wäre demnach, die Unterkünfte zwischenzeitlich als regulären Wohnraum zu nutzen. Konkrete Planungen gebe es dazu in der Behörde allerdings noch nicht.

Text und Foto: Benjamin Laufer