Gespräche gescheitert : Flüchtlinge schlafen in Kirche

Nachdem die Gespräche mit der Sozialbehörde über eine öffentliche Unterkunft abgebrochen wurden, ziehen sie in eine Kirche auf St. Pauli ein. Diakonie und Nordkirche kritisieren für die geplante Unterkunft Bedingungen, die „der Abschiebung dienen“.

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Offene Türen: In der St.-Pauli-Kirche sind die Flüchtlinge herzlich Willkommen.

Endlich nicht mehr draußen schlafen müssen: Rund 50 der bis zu 300 Flüchtlinge aus Libyen haben die Nacht zu Montag in der evangelischen Kirche St. Pauli am Fischmarkt verbracht. Weil sie eine Unterkunft unter den vom Senat genannten Bedingungen nicht akzeptieren, wollten sie im Garten der Kirche ein Zeltlager für 150 Personen errichten. Medienberichten zu Folge wird es nun aber doch keine Zelte dort geben, die Flüchtlinge sollen ausschließlich in der Kirche unterkommen.

Seit Montag ist die St.-Pauli-Kirche eine „Oase auf der Flucht“. So nennt Pastor Sieghard Wilm sein zur Notunterkunft umfunktioniertes Gotteshaus. Den Flüchtlingen will er darin die Möglichkeit geben, sich Gedanken über ihre Zukunft zu machen. „Diese Menschen sind gar nicht in der Lage, sich richtig zu sortieren, weil sie mit Überleben beschäftigt sind“, sagt Wilm. Darum will er ihnen helfen – und bekommt dabei selbst viel Unterstützung aus der Nachbarschaft: Die Kollekte am Sonntag hat 484 Euro zusammengebracht. Das sei „extrem viel“, sagt Pastor Sieghard. Was er mit den zusätzlichen Sachspenden anfangen soll, weiß er noch nicht, dafür fehlt noch ein Konzept. Trotzdem stimmen sie ihn zufrieden: „Ich habe den Eindruck, dass wir nicht alleine sind und die Leute das hier mittragen“, sagt Wilm. Für die nächsten Nächte rechnet er mit bis zu 100 Schlafgästen. Der Pastor lässt das auf sich zukommen: „Wir wissen nicht, wie es weiter geht“, sagt er. „Wir wachsen mit dieser Aufgabe.“

Gespräche über eine städtische Unterkunft für die Flüchtlinge zwischen Sozialbehörde, Nordkirche und Diakonie waren am Wochenende gescheitert. „Wir sehen, dass für die Stadt in Bezug auf die Unterbringung der Flüchtlinge vor allem ordnungspolitische Überlegungen im Vordergrund stehen“, sagte Diakonie-Chefin und Hinz&Kunzt-Herausgeberin Annegrethe Stoltenberg. Eine Unterbringung nur unter der Bedingung, dass die Flüchtlinge sich registrieren lassen und dann abgeschoben werden sollen, wollten Kirche und Diakonie nicht mittragen. Sozialsenator Detlef Scheele hatte eine ehemalige Schule in Langenhorn in Aussicht gestellt, allerdings nur unter der Bedingung, dass die Unterbringung „ein Bestandteil der Rückreise nach Italien“ sein solle. Rückendeckung bekam er dafür vom SPD-Bürgermeister Olaf Scholz: Die afrikanischen Flüchtlinge, die über Italien nach Deutschland gekommen sind, müssten „nach Italien oder in ihre Heimatländer zurück“, forderte Scholz in der Welt am Sonntag.

Das Vorhaben des Senats stößt auf harsche Kritik. „Gezielt hat der Senat versucht, die Flüchtlinge in eine Abschiebe-Falle zu locken“, sagte Linkspartei-Landessprecher Bela Rogalla. Die Partei begrüße es, dass die Bischöfin die Bedingungen des Senats nicht akzeptiert hat. Das tun auch die Grünen: „Wenn die Innenbehörde diese Menschen abschieben will, muss sie ihre Arbeit schon alleine machen“, sagte Antje Möller, flüchtlingspolitische Sprecherin der grünen Bürgerschaftsfraktion. Während die CDU in diesem Fall hinter der SPD steht, kritisierte auch die FDP das Vorgehen des Senats.

Die Flüchtlinge waren vor dem Bürgerkrieg in Libyen nach Italien geflohen. Dort wurden sie im Winter mit Papieren und Bargeld ausgestattet und weitergeschickt. Bis zu 300 der Afrikaner leben derzeit in Hamburg auf der Straße. Rechtsansprüche auf Unterstützung haben sie hier nicht, hierfür wäre Italien rechtlich zuständig. Deswegen will der Senat sie dorthin zurückschicken. „Die Flüchtlinge aus Libyen sind zum Spielball einer restriktiven europäischen Flüchtlingspolitik geworden, der es in erster Linie um Abwehr, nicht um Schutz geht“, kommentierte Bischöfin Kirsten Fehrs die Situation der Afrikaner. Das Spiel geht weiter, der Ball liegt bei der Sozialbehörde: ob die den Flüchtlingen im Alleingang eine Unterkunft anbieten wird, ist unklar. „Das weitere Vorgehen wird nun geprüft“, sagt Sozialbehördensprecher Olaf Dittmann. „Ob und wie und was es an Unterstützung geben wird, ist noch nicht entschieden.“

Text und Foto: Benjamin Laufer

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