Tote im Mittelmeer : EU-Flüchtlingspolitik in der Kritik

Nach dem verheerenden Massensterben im Mittelmeer will die EU mehr Geld für Flüchtlinge bereitstellen – allerdings für das umstrittene Grenzschutzprogramm Triton. Kritiker fordern stattdessen eine Neuauflage von Mare Nostrum.

Diese Frau überlebte das Schiffsunglück vor Rhodos - drei andere Flüchtlinge starben. Foto Xinhao/action press
Diese Frau überlebte das Schiffsunglück vor Rhodos – drei andere Flüchtlinge starben. Foto Xinhua/action press

„Migration ist schon schwer genug, sie darf nicht eine Angelegenheit von Leben oder Tod sein“, sagte Innenminister Thomas de Mazière bei einem Sondertreffen der EU-Minister am Montag in Luxemburg. Doch was nicht sein darf, passiert täglich, wenn sich Flüchtlinge auf hoffnungslos überladenen Booten auf den Weg nach Europa machen. Am Wochenende ertranken dabei im Mittelmeer über 1.000 Menschen. Gestern kenterte vor der griechischen Insel Rhodos erneut ein Flüchtlingsboot: Drei Menschen starben – darunter ein vierjähriges Kind.

Seit Jahresanfang ist das Mittelmeer bereits für 1.600 Menschen zum Massengrab geworden, wie aktuelle Zahlen des UN-Flüchtlingsrates (UNHCR) zeigen. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Zeid Ra’ad Al Hussein, kritisierte die EU scharf: Die Politik habe „anhaltend versagt“, die Toten seien das Ergebnis eines „monumentalen Mangels an Mitgefühl“, so Al Hussein in der „Süddeutschen Zeitung“.

In einer ersten Reaktion einigten sich die Außen- und Innenminister darauf, die Gelder für das EU-Grenzschutzprogramm Triton auf 6 Millionen Euro im Monat zu verdoppeln. Zudem soll die Zahl der im Mittelmeer kreuzenden Schiffe (derzeit 9) erhöht werden.

Doch Triton wird von Menschenrechtsorganisationen seit seinem Start heftig kritisiert. Denn: Der Auftrag der ausführenden Organisation Frontex besteht vor allem darin, die EU-Außengrenzen zu kontrollieren, nicht Menschenleben zu retten. Zudem ist das überwachte Gebiet viel kleiner als damals beim italienischen Seenotrettungsprogramm Mare Nostrum.

Es mehren sich die Stimmen, die eine Neuauflage von Mare Nostrum fordern. So setzen sich Diakonie und Caritas dafür ein, auch die Grünen und die Linke fordern eine Neuauflage. „Das elende Ertrinken von Schutzsuchenden hat die Europäische Union eindeutig mit zu verantworten. Wir brauchen wieder ein umfassendes, europäisches Seenotrettungsprogramm“, sagte Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin der Diakonie Katastrophenhilfe und Brot für die Welt.

Italien hatte mit Mare Nostrum vom Oktober 2013 bis November 2014 rund 150.000 Menschen vor dem Ertrinken gerettet. Weil sich die EU jedoch nicht an den monatlichen Kosten von knapp 9,3  Millionen Euro beteiligen wollte, stoppte Italien das Seenotrettungsprogramm.

Auch Reeder schlagen Alarm

Auch der Verband Deutscher Reeder forderte von Kanzlerin Angela Merkel mehr Hilfe. „Unsere Besatzungen sehen die Menschen sterben, sie ertrinken vor unseren Augen oder erfrieren an Bord“, heißt es in einem Schreiben an das Bundeskanzleramt, so ein Bericht von NDR 90,3.

Der Hamburger Reeder Christopher Opielok sagte der „Hamburger Morgenpost“, dass viele Seeleute am Ende ihrer Kräfte seien und kündigen. Laut Morgenpost haben Handelsschiffe im vergangenen Jahr rund 40.000 Flüchtilnge aus Seenot gerettet. Die Reeder schlagen eine Art Luftunterstützung für Handelsschiffe vor, durch die medizinische Einsatzkräfte Besatzungen unterstützen, wenn sie Flüchtlinge aus Seenot retten.

Am Donnerstag treffen sich die EU-Minister in Brüssel zu einem Sondergipfel, um über weitere Maßnahmen zu beraten.

Text: SIM
Foto: Xinhua/action press

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