Dolce Vita mit Hindernissen

Mit der Traumfrau verheiratet, die halbe Welt bereist, erfolgreich mit dem eigenen Laden: Für Konditor Thomas Horn, bekannt aus der TV-Doku-Soap „Torten-Tuner“, lief es richtig rund. Doch dann brannte seine Backstube ab, und er musste ganz von vorne anfangen.

(aus Hinz&Kunzt 229/März 2012)

Konditor Thomas Horn kennen Sie vielleicht schon vom Titel unseres Sonderheftes „Hamburger Schokoladenseiten“, für das er mit Hinz&Künztlern gebacken hat.

„Ich muss nicht berühmt werden“, sagt Thomas Horn. Dafür ist es zu spät. Die Leute zeigen beim Autofahren auf den 49-jährigen Konditor, und Unbekannte umarmen ihn beim Alstervergnügen mitten auf dem Eis. Sie kennen ihn aus dem Fernsehen, denn Horn ist einer der beiden „Torten-Tuner“, die in der Doku-Soap bei Kabel 1 verrückte Riesen-kuchen produzieren. Es läuft gerade richtig gut für Horn, doch vor dreieinhalb Jahren stand er vor dem Nichts.

Wir treffen uns in seinem Laden in Lokstedt. Die purpurrote Fassade mit den goldenen Buchstaben fällt in der verkehrsberuhigten Einkaufsstraße auf wie ein Designerkleid bei C&A. Auch innen ist es stylish: Stoffe in vornehmem Braun, edle Lampen lassen die Torten in der Vitrine appetitlich glänzen. Thomas ist ein ganz anderer Typ. Bodenständig, breit, laut und voller Energie. Einer, der sagt, was er denkt, und der sich in der Backstube durchsetzen kann.

Laufend öffnet sich die Tür für neue Kundschaft. Thomas Horn seufzt zufrieden. „Ich kann mich nicht beklagen. Hier ist es voll – und mehr als voll geht nicht.“ Aber er weiß: Das kann sich ändern. Hinter seinem Selbstbewusstsein steckt eine große Portion Nachdenklichkeit. „Ich trage Verantwortung für 26 Leute – und weiß ich, ob auch alle morgen wieder meine Brötchen und Kuchen kaufen wollen? Ich mache mir jeden Tag Gedanken“, sagt er.

Dabei lief es oft rund in seinem Leben. Nach einer Bäckerlehre ließ er sich zum Konditor ausbilden – „ein kreativer Beruf mit festen Arbeitszeiten“. Er heiratet seine große Liebe Anja, die jahrgangsbeste Konditorin, und bekommt 1983 einen Job im zweitbesten Hotel der Welt, dem Vier Jahreszeiten. Es folgen Aufenthalte in Norwegen, im Savoy und Hilton in London und in Hongkong. Die Arbeit in den Luxushotels ist eine Herausforderung, kein Aufwand für die anspruchsvolle Kundschaft ist zu groß. Bis zu 100 Leute arbeiten in der Küche. „Wir waren Herdgötter“, sagt Horn.

Am besten gefallen ihm und seiner Frau die dreieinhalb Jahre in einem Trondheimer Edelhotel. Sie werden hofiert, mit Visum und Wohnung versorgt und mit einem Motorschlitten zur Jagd gefahren. Doch irgendwann hat Thomas genug von der Gastronomie, und Anja zieht es wieder nach Deutschland. Sie kehren nach Hamburg zurück.

Horn arbeitet bei Lenôtre, dem berühmten französischen Patissier, und anschließend bei der Confiserie Java. 1996 macht er sich in Lokstedt selbstständig. Thomas Horn ist ein guter Geschäftsmann, der die Bedürfnisse seiner Kunden erkennt und bedient. Mit Brot und Brötchen deckt er den täglichen Bedarf, mit Torten nach Maß erfüllt er auch ausgefallene Wünsche von Firmenkunden. Verbiegen lässt er sich dabei nicht. Mit Leuten, die er nicht mag, macht er keine Geschäfte. „Meine Preise sind reell, das wissen meine Kunden. Aber ich habe auch nichts zu verschenken.“

2008 fasst er den Entschluss, die maroden Öfen in seiner Backstube auszutauschen. Die Handwerker sind bestellt. Drei Tage vor dem Umbautermin bricht ein Feuer in der Backstube aus. Die Flammen vernichten alles. „Wir wissen nicht, was der Grund war. Technischer Defekt hieß es nur.“ Von der Konditorei bleiben nur ein paar verkohlte Mauern übrig. Thomas Horn und seine Frau sind verzweifelt. „Was sollten wir machen: Hartz IV beantragen?“ Der Satz klingt einen Moment nach, und man kann sich vorstellen, wie groß die Verzweiflung gewesen ist.

Doch es kommt noch schlimmer. Wenige Wochen nach dem Brand erhalten Horns die Kündigung für den Laden. Was Horn am meisten wurmt: „Die Eigentümer hatten nicht den Mut, mir das Schreiben persönlich zu geben. Sie haben den Brief in den Briefkasten gesteckt, obwohl sie wussten, dass ich zu Haus war.“ Trotz dieses erneuten Schlags möchte das Paar nicht aufgeben. „Ohne meine Frau hätte ich nicht weitergemacht, aber wir wollten es beide.“ Thomas Horn findet in der Nähe eine Backstube. Der Verkauf wird über einen Wagen abgewickelt. „Wir hatten ganz liebe Kunden, die unseren Verkäuferinnen sogar warme Milch gebracht haben, damit sie im Winter nicht frieren.“

Schräg gegenüber vom alten Laden mietet Horn ein neues Geschäft. „Als ich gehört habe, was ich investieren muss, habe ich erst einmal geschluckt, aber wir wollten noch mal richtig durchstarten.“ Wenn Thomas Horn „wir“ sagt und damit auch von seiner Frau spricht, wird seine Stimme sanft und ernst. „Wir sind seit 21 Jahren verheiratet, mit allen Höhen und Tiefen. Aber wir reden miteinander, das tun nicht alle Paare.“

Im Frühjahr 2009 wird der neue Laden eröffnet. Zur Einweihung kommen halb Lokstedt und viele Kollegen. Wegen der vielen Geschenke und guten Wünsche muss sich Thomas Horn immer mal wieder über die Augen wischen. „Für die Kundenbindung war das Unglück im Nachhinein sogar gar nicht schlecht“, sagt er heute. Sein alter Vermieter, der ihm nach dem Brand den Vertrag kündigte, hat selbst ein Café in Horns alten Räumen eröffnet. „Das ging aber nur einige Monate“, sagt Thomas Horn ohne Schadenfreude. „Es war ja auch Wahnsinn, gegen mich Platzhirsch anzutreten.“

„Ich muss nicht berüht werden“, sagt Thomas Horn. Dafür ist es zu spät.

Und wie ist Thomas Horn Fernsehstar geworden? „Frank sagt durch ihn, ich sage durch mich.“ Frank Steidl ist sein Partner bei den Torten-Tunern. Halb so groß und halb so schwer wie Horn, aber genauso schlagfertig. Steidl betreibt eine Konditorei in Rahlstedt. Die beiden sind Kollegen, Konkurrenten, aber auch Freunde, und sie backen mit Kollegin Betty skurrile Riesentorten. Sie haben einen Mega-Cheesecake mit 500 Eiern gebacken, eine türkische Hochzeitstorte für 1200 Gäste und für einen Tätowierer eine überdimensionale Burlesque-Tänzerin mit Quasten aus Marzipan auf den Brüsten.

Steidl wird als kreativer Kopf inszeniert, Horn als Organisator und Mann fürs Grobe. Das kränkt ihn kein Stück, schließlich ist etwas Wahres daran. „Ich stehe auch in Wirklichkeit nicht mehr oft in der Backstube, ich sorge dafür, dass der Laden läuft.“ Die Sendung setzt auf die Schlagfertigkeit ihrer beiden Protagonisten. Ein Drehbuch gibt es nicht. Das ist auch nicht nötig: Die beiden Sprücheklopfer in der Backstube und bei ihren Recherchen in Striplokalen, Burlesque-Clubs und türkischen Cafés zu beobachten ist unterhaltsam genug. Fast alle Drehorte sind in Hamburg, nur für eine Folge sind die beiden ungleichen Helden mit Helferin Betty bis nach Shanghai gereist. Für einen Ball mit 1500 Gästen mussten sie innerhalb von drei Tagen eine Torte in Form einer venezianischen Tänzerin kreieren. Mit chinesischer Butter, die nicht bindet, und Sahne, die klumpt, eine echte Herausforderung. Für Horn eine Qual: „Ich hasse das Chaos.“

Vier Monate haben die Dreharbeiten für sechs Sendungen gedauert. Immer parallel zum Alltag in der Backstube. Die letzte Folge lief Ende Februar. Ein Vorvertrag für weitere Drehs ist unterzeichnet, aber ob es die wirklich geben wird, ist unklar. Für Thomas Horn ist das kein Problem: „Es ist doch nur Fernsehen. Zu meinem Glück brauche ich das nicht.

Text: Sybille Arendt
Foto: Daniel Cramer

Bäckerei und Konditorei Horn: Grelckstraße 10 a und Papenreye 6; Conditorei Steidl, Rahlstedter Bahnhof 12 und unter www.konditorei-horn.de
Bettina (Betty) Schliephake: www.sugardreams.de
Videos und Fotos zu den Sendungen unter www.kabeleins.de/tv/torten-tuner-backen-das