Die Marathon-Spenderin

Echtes Durchhaltevermögen: Seit mehr als einem Jahr schenkt uns Christine Schröder fünf Cent pro gejoggten Kilometer

(aus Hinz&Kunzt 195/Mai 2009)

Noch sitzt sie. Sitzt an ihrem Schreibtisch, schaut auf den Bildschirm, lässt die Maus wandern und die Tastatur klickern. Christine Schröder arbeitet im Job-Center der Arbeits-agentur in Bramfeld. Es ist Mittwochnachmittag, kein Kundenverkehr, wie es amtlich heißt, also schafft sie Akten weg. Doch in anderthalb Stunden ist sie draußen im Grünen: Sie läuft dann einen Marathon. 42,195 Kilometer.

Das ist für sie nichts Besonderes, das macht sie öfter: derzeit jeden Sonnabend und jeden Mittwoch. Nicht auf Zeit. Sondern so schnell oder langsam, wie es gerade passt. Neulich ist sie 100 Kilometer gelaufen. Kein Problem für Christine Schröder, denn sie kennt den Indianertrapp: „100 Meter laufen, 100 Meter gehen; dann wieder 100 Meter laufen und wieder 100 Meter gehen – das kann man ewig so machen.“ Sie lacht und streicht sich das Haar aus dem Gesicht.
Dass Christine Schröder so viel läuft, hilft auch Hinz&Kunzt. Alles begann an Silvester 2007. Da hatte sie bereits drei Langstreckenläufe hinter sich. „Meine Schwester und ich wollten zusammen einen Marathon um den Öjendorfer See laufen“, erzählt sie. Doch dieses Mal hatten sie sich verschätzt: „Ab Kilometer 30 haben wir gemerkt, dass es zu viel wird – und dann hat uns der Veranstalter über diesen Marathon gehoben. Mit netten Worten und aufmunternden Rufen: ‚Du schaffst es!‘“

Sie schafften es wirklich. „Ich hab gedacht: ,Ach, wenn man Hilfe bekommt, das ist doch schön.‘“ Und sie fasste einen Entschluss: „Ich werde für jeden Kilometer, den ich im neuen Jahr laufe, fünf Cent in die Spardose tun und sie Hinz&Kunzt spenden.“

Dabei ist es bis heute geblieben. Denn Hinz&Kunzt gilt ihre Sympathie, seit es das Straßenmagazin gibt. Schließlich trifft sie bei ihrer Arbeit ständig auf Menschen, die aufpassen müssen, nicht abzurutschen. Im Job-Center ist sie zuständig für die Hartz-IV-Empfänger unter 25. Junge Menschen, meist ohne Hauptschulabschluss und ohne Perspektive. Sie lässt den Blick durch ihr kleines Büro schweifen: „Es ist hier schon eine anstrengende Arbeit.“ Alles habe sie schon erlebt: „Von angelogen werden über Leute, die man ein wenig drängen muss, dass sie sich um Arbeit bemühen, bis zu denen, die unbedingt arbeiten wollen und wirklich alles versuchen und die doch keine Arbeit finden.“
Aber sie hat ja ihr Laufen, um wieder zu entspannen. Entscheidend dabei ist: „Langsam, langsam, langsam – das machen die meisten verkehrt, dass sie zu schnell sind und nicht das Tempo drosseln können, und dann haben sie nach drei Kilometern einen knallroten Kopf und klappen zusammen.“ Das wird ihr nicht passieren. Christine Schröder sagt: „Abends so vier, fünf, sechs Stunden laufen, das ist ganz schön.“ Dann tippt sie weiter und freut sich auf den Moment, wo sie die Laufschuhe zuschnürt.

Text: Frank Keil
Foto: Mauricio Bustamante