Deine Stimme gegen Armut

Wie Prominente und entwicklungspolitische Organisationen weltweit ihren Regierungen Druck machen. Aus Hamburg mit dabei: TV-Moderator Roger Willemsen. Wollen Sie auch etwas tun? Wir sagen, wie’s geht

(aus Hinz&Kunzt 149/Juli 2005)

Hinz&Kunzt: Herr Willemsen, Sie machen bei dieser Aktion mit. Warum?

Roger Willemsen: Es ist erschütternd, wenn man hört, mit wie wenig Geld – verhältnismäßig gesehen – der Hunger und die Armut auf der Welt beseitigt werden könnten. Das Argument „Das ist zu teuer“ lasse ich nicht gelten. Wenn es um Kriege und Terrorbekämpfung geht, ist auch genug Geld da.

H&K: Aber die Regierungen der Länder haben sich darauf verständigt, dass sie die Armut bis 2015 halbieren wollen. Reicht Ihnen das nicht?

Willemsen:Fünf Jahre sind schon vergangen und bislang ist wenig passiert. Zum Teil liegt das an den Regierungen in den betroffenen Ländern. Sie setzen das Geld oft ungeschickt oder ineffizient ein. Aber darauf wird inzwischen mehr geachtet. Der gravierendste Grund: Die UN-Vereinbarung ist wohlmeinend, aber unverbindlich. Wenn sich das nicht ändert, zucken wir 2015 mit den Achseln: Wir haben unser Ziel nicht erreicht, schade! Das ist eine Kurzmeldung in den Medien. Und das war’s dann. Deswegen ist es so wichtig, dass wir immer wieder die Milleniumsziele ins Bewusstsein rücken.

H&K: Was müssen die Regierungen tun?

Willemsen:Sie müssen ihr Versprechen erfüllen. Und das bedeutet: 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) für Entwicklungshilfe auszugeben. Die meisten machen das nicht. Auch Deutschland kam bislang nur auf 0,28 Prozent.

H&K: Warum stehen die Regierungen nicht zu ihren Versprechen?

Willemsen:Weil man damit keinen Wahlkampf machen kann – denken sie. Dabei ist das Thema durchaus innenpolitisch relevant. Die Zahl der Asylbewerber wird zurückgehen, wenn es den Mutterländern politisch und wirtschaftlich besser geht.

H&K: Für Sie geht der Kampf gegen Armut und der gegen Aids Hand in Hand. Warum?

Willemsen:In Entwicklungsländern erkranken hauptsächlich die armen Bevölkerungsschichten an Aids. Sie können sich beispielsweise nicht vor Prostitution schützen. Sie sind Opfer und Täter. In Kambodscha beispielsweise wird etwa ein Viertel der jungen Frauen mit großer Zwangsläufigkeit Prostituierte. Die Prostituierten und die Kunden gehören zu den ärmsten Bevölkerungsschichten.

Fast exemplarisch konnte ich sehen, wie sich Aids verbreitet. Ich recherchierte für einen Dokumentarfilm über Wanderarbeiter in den Diamantenminen von Südafrika. In den Minen funktioniert die Apartheid noch. Auf vier Etagen wurde abgebaut, auf den drei untersten arbeiteten nur Schwarze, auf der obersten nur Weiße. Die Löhne waren katastrophal.

Da die Arbeiter kaum noch ein Zuhause hatten, sondern immer weiterzogen, gab es regelrechte Bordellstädte. 75 Prozent der Männer tragen den HIV-Virus. Ich wollte schon vor Jahren mit einem Kollegen in Südafrika einen Aufklärungsfilm über Aids machen. Aber ich bekam bei Nelson Mandela, den ich ansonsten sehr bewundere, keinen Fuß in die Tür. Noch heute ist das Thema in vielen Ländern ein Tabu. Deshalb freue ich mich umso mehr, dass sich Nelson Mandela heute an die Spitze der Aufklärungsbewegung in Afrika stellt. Was aber nach wie vor ein Skandal ist: dass die Pharma-Industrie aus Konkurrenzgründen keine Medikamente liefert und die Menschen einfach sterben lässt.

H&K: Im Augenblick engagieren Sie sich hauptsächlich in Afghanistan.

Willemsen:Ja, für die Hilfsorganisation Care International. Ich habe beispielsweise die Flüchtlingslager besucht, Menschenrechtsprojekte, Frauen- und Witwenprojekte. Ich will das, was im Land gerade pas-siert, filmisch aufbereiten. Außerdem muss Afghanistan wieder mehr in den Blickpunkt. Die Spendenbereitschaft hat nach dem Tsunami in Südostasien extrem nachgelassen. Dabei braucht Afghanistan jede Hilfe. Die Arbeit, die hier geleistet wird, ist sehr effektiv, aber ich war schockiert, dass man fast überall bei Null anfangen muss.

H&K:Sie fahren bald wieder hin?

Willemsen: In diesem Jahr sind eigentlich noch zwei Reisen geplant. Aber das Auswärtige Amt stuft die Sicherheitslage als bedenklich ein. Und jetzt ist auch noch eine Cholera-Epidemie ausgebrochen.

Interview: Birgit Müller

Die Aktion und ihre Mitstreiter
Außer entwicklungspolitischen Organisationen machen auch Prominente wie Claudia Schiffer, Herbert Grönemeyer, Hugh Grant, Brad Pitt und Boris Becker mit. Müßig, sie alle aufzuzählen. Aus Hamburg ist neben Roger Willemsen auch Tagesthemen-Moderatorin Anne Will mit dabei. Mit Anzeigen, offenen Briefen und Aktionstagen (am 2. Juli und im September) wollen sie Druck machen. Außerdem nahmen die Promis gemeinsam ein Videoclip auf: Jeder Promi schnippt einmal mit dem Finger. Bei jedem Fingerschnipp – alle drei Sekunden – stirbt ein Kind an den Folgen von Hunger. Auch Sie können mitmachen: Schreiben Sie an Bundeskanzler Gerhard Schröder. Oder tragen Sie ein weißes Band – als Zeichen für Ihre Solidarität.

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