Handballer Pascal Hens: Hart, aber fair

Respekt, Fairness und Teamgeist machen für HSV-Profi Pascal „Pommes“ Hens den Reiz des Handballsports aus – trotz schwerer Verletzungen und schmerzhafter Niederlagen. Ohne den Rückhalt seiner Mannschaft wäre der Sportler daran zerbrochen.

(aus Hinz&Kunzt 207/Mai 2010)

Ein Leben für die Poesie

Marlisa Pflüger schreibt seit ihrer Kindheit Gedichte. Jetzt bat die 90-Jährige zu einer Lesung zugunsten von Hinz&Kunzt.

(aus Hinz&Kunzt 207/Mai 2010)

Baut endlich Wohnungen!

Bis zu 750 Menschen mussten Mitte April zurück auf die Straße, weil es keine Wohnungen für sie gibt. Die Wohlfahrtsverbände fordern bessere Hilfen für Obdachlose. Neben Wohnraum fehle es vor allem an kleineren Unterkünften und Einzelzimmern. Der Senat findet seine Hilfsangebote hingegen ziemlich gut.

(aus Hinz&Kunzt 207/Mai 2010)

Scharfe Kritik an Hartz IV

Fünf Jahre nach der Einführung von Hartz IV haben Wissenschaftler, Sozialarbeiter und Betroffene auf einer Konferenz eine kritische Bilanz gezogen. Ihr Fazit: Die Hartz-Gesetze und die Praxis der Hamburger Behörden müssen dringend geändert werden.

(aus Hinz&Kunzt 207/Mai 2010)

Hilft viel, braucht wenig Platz: Eine Box zum Überwintern

Das Diakonische Werk sucht Kirchengemeinden, die in der kalten Jahreszeit Wohncontainer für Obdachlose bereitstellen.
(aus Hinz&Kunzt 207/Mai 2010)

Heiß begehrt: Die 87 Schlafplätze in Wohncontainern, die es im vergangenen Winter im Hamburger Notprogramm für Obdachlose gab, waren ruck, zuck besetzt. Kein Wunder: Sie bieten nicht nur eine trockene und warme Bleibe in den kältesten sechs Monaten des Jahres, sondern auch eine Chance, sich ein wenig zu erholen und neue Kraft zu sammeln.

Film, Fön und Fantasie

Gleb Lenz betreibt einen kleinen Frisiersalon in Altona. Daneben beschäftigen ihn menschliche Schicksale, Einsamkeit, Liebe, Träume. So kommt es, dass der Friseur, während er Haare schneidet und Dauerwellen legt, seinen Kunden Geschichten erzählt. Eine davon will er sogar verfilmen. Wie das geht, weiß er: Mit seiner blühenden Fantasie hat es Gleb Lenz schließlich geschafft, Pro­tagonist eines Dokumentarfilms zu werden, der auf der Berlinale zu sehen war.
(aus Hinz&Kunzt 207/Mai 2010)

Neulich ging Gleb Lenz über einen roten Teppich. Gab Interviews, genoss den Applaus. In Berlin war das, bei der Berlinale. Gleb Lenz war dort als Hauptperson in dem Dokumentarfilm „Glebs Film“ zu sehen. Gezeigt wird darin, wie er in seinem Frisiersalon Haare schneidet, Locken legt, Augenbrauen färbt und dabei mit seinen Kunden über seine Filmidee spricht: einen Spielfilm über einen nicht mehr ganz jungen Mann, der stundenlang in zerrissenen Hosen auf der Straße steht; der arbeitslos und obdachlos ist und dem Herr Lenz eines Tages die wirren Haare schneidet. „Für mich heißt dieser Mann – Florian“, sagt Herr Lenz.
Lenz„Der Film, kann man schon sagen, war ein kleiner Erfolg“, erzählt er weiter. „Aber viele haben mich hinterher gefragt: Und? Machen Sie diesen Film über diesen Florian jetzt wirklich?“ Ja, das hat er vor. So, wie er auch weiter mit seinen Kunden über seine Filmidee plaudert.
„Ach, die Geschichte schon wieder; ich kann die nicht mehr hören“, stöhnt denn auch Frau Niemann. Frau Niemann sitzt im Frisierstuhl, ihre Haare verschwinden unter einer Trockenhaube. Frau Niemann kommt wie viele aus der Nachbarschaft. Sie erhält heute eine Dauerwelle. Das dauert.
„Sind Sie manchmal depressiv?“, fragt er sie. „Kommt drauf an“, antwortet Frau Niemann. Herr Lenz nickt: „Hat ja jeder mal. Man will auf das Dach steigen und …“
Gerade hat er in der Zeitung gelesen, dass sich jeden Tag drei Menschen vor einen Zug werfen, im Durchschnitt.
„Drei!“, sagt Herr Lenz. „Aber warum machen die das?“
„Weil sie es satt haben. Da hat man seine Ruhe …“, erklärt Frau Niemann.
Das will Herr Lenz nicht gelten lassen: „Es gibt aber auch schöne Sachen im Leben. Wenn man verliebt ist …“
„Ja, aber das dicke Ende kommt auch“, lacht Frau Niemann.
„Ahhhh“, macht Herr Lenz, wie er es immer macht, wenn ihn etwas sehr erstaunt. Dann fragt er: „Was meinen Sie mit ‚das dicke Ende‘?“
„Na, bleiben Sie ewig verliebt? Der Alltag …“
„Ich weiß, aber diese Droge für kurze Zeit ist ja da, dieses Verliebtsein …“ – Herr Lenz schaut beseelt an die Decke.
„Das Verliebtsein dauert vielleicht ein halbes Jahr. Aber eine Ehe dauert vielleicht 50 Jahre!“, sagt Frau Niemann. Sie hebt den Zeigefinger: „Unter guten Voraussetzungen!“
Herr Lenz nickt versonnen.
„Ach, man muss abwägen, generell“, spricht Frau Niemann weiter: „Ist das Leben gut – dann kann ich ja leben, ist es nur Mist – dann kann ich mich aufhängen.“
Herr Lenz schweigt. Er bestreicht ihr Haar mit einer weißen Tinktur, stellt den Wecker. Zehn Minuten muss die Tinktur jetzt einziehen.
Jedenfalls der Film: Es gibt in dem Film nicht nur Florian in seiner zerrissenen Hose. Es gibt auch Claudia. Claudia hat lange bei ihrer Mutter gelebt, ist einsam und arbeitslos wie Florian. Und Claudia ist ein wenig dicker: „So 140 Kilo“, sagt Herr Lenz: „90, das wäre zu wenig, das ist ja fast normal. 200 wäre wieder zu viel.“ Und wie nun Florian, in der zerrissenen Hose, wie er auf der Straße steht, und die einsame, arbeitslose Claudia zueinanderfinden, davon soll sein Film handeln.
„Ein bisschen Action, aber auch Liebe, dazu Nahaufnahmen: Aus all diesen Zutaten soll mein Film bestehen – wie ein Gericht“, sagt Herr Lenz. „Es soll nicht ganz oberflächlich werden, eine philosophische Note soll auch sein. Eine Szene wird auch in Afghanistan spielen“, sagt Herr Lenz. Weil doch Florian als Polizist in Afghanistan war. Und da hat er einiges erleben müssen, weshalb er heute stundenlang auf der Straße steht, in zerrissenen Hosen.
Noch etwas ist ihm wichtig: „Es soll in dem Film auch etwas über heutige Mode erzählt werden. Es geht darum, die Mode ist nicht nur für dünne Frauen gedacht, sondern auch für etwas korpulentere Frauen. Es wäre ja auch diskriminierend, wenn es nur Mode für ganz dünne Frauen gäbe.“ Wie bestellt, klingelt der Wecker. Herr Lenz löst die Lockenwickler, einen nach dem anderen.
Herr Lenz kommt ursprünglich aus Minsk, Weißrussland. 1991 verschlägt es ihn nach Hamburg. Die Stadt gefällt ihm sofort. Er lernt hier auch seine Frau kennen, die ihrerseits aus Kasachstan kommt, eine Deutschstämmige. Deshalb heißt er auch Lenz: „Ich hab den Führungsnamen meiner Frau angenommen“, erzählt er: „Was sollen sich unsere Kinder auch hier in Deutschland mit einem russischen Nachnamen rumplagen.“ Integration mal ganz praktisch.
Herr Lenz liebt das Theater. Er möchte Maskenbildner werden. Dazu muss man vorher eine Friseurlehre machen. Er macht auch noch die Meisterschule, übernimmt dann vor gut zehn Jahren einen Friseursalon in Altona. „Ich bin sehr zufrieden mit diesem Beruf“, sagt er, „aber man möchte im Leben noch eine zweite Karriere haben.“
Der letzte Lockenwickler ist entfernt. Er wäscht Frau Niemann das Haar. „Die Claudia“, beginnt er wieder, „die Claudia in meinem Film, die macht auf Natur; die will naturbelassen bleiben.“ Er spült das Haar aus, trocknet vorsichtig Frau Niemanns Haar ab. „Das Einzige was wir chemisch bei Ihnen machen, ist die Dauerwelle. Alles andere ist Natur.“
Dann – wieder so ein Einfall! Er schließt kurz die Augen, legt los: „Ich habe eine Kundin, die ist so alt wie Sie, Frau Niemann. Die ist noch dicker. Die ist ein bisschen unglücklich in ihrem Leben. Lebt allein, Zwei-Zimmer-Wohnung. Sie hat vor Kurzem noch gearbeitet, weil die Rente doch nicht so ausreichend war.“
Herr Lenz ist fertig mit dem Abtrocknen. „Auf jeden Fall hat sie ein Bein gebrochen – und dadurch war sie noch unglücklicher, die Stimme war nicht mehr so fröhlich. Aber sie hatte noch diesen Job – Telefonsex war das praktisch. Ja, sie hat in ihrem Alter das noch gemacht. Warum? Weil von zu Hause aus kann man das machen; man muss nicht wohin gehen. Aber dadurch, dass ihre Stimme so unglücklich wurde, hat man sie dann gekündigt. Und sie war dann dadurch noch mehr unglücklicher.“
Herr Lenz betrachtet Frau Niemanns Haare. „Aber nun kommt’s: Sie hat so ähnliches Haar wie Sie. Aber sie wollte anders sein. Und sie hat sich Perücken gekauft; verschiedene: lange und kurze – und das ist eben der Punkt, das wollte ich Ihnen sagen: Haben Sie schon mal eine Perücke besessen? Nein? – Weil Sie ein Naturmensch sind!“
Und die beiden prusten laut los. „Doch, doch, das ist wahr“, sagt er, als sie fertig gelacht haben. „Ach, Herr Lenz, sie tüdeln doch“, sagt Frau Niemann und schaut vergnügt in den Spiegel.
Hat er schon eine Idee, welcher Schauspieler den Florian spielen soll? „Ich“, sagt Herr Lenz. Denn er stellt sich Folgendes vor: „Der Florian, mit seiner zerrissenen Hose, durch seinen Knick im Kopf sozusagen, sieht er alle Männer, mit denen er spricht, er sieht sein Gesicht bei denen. Er erkennt die Gesichter von denen nicht, das ist das Sonderbare bei ihm. Er sieht sich selbst in jedem, verstehen Sie?“
Von daher ist es ganz praktisch, wenn Herr Lenz den Florian spielt – und alle anderen Männer gleich mit. „Bei der Claudia geht das natürlich nicht; da muss ich mal schauen“, sagt Herr Lenz. „Auch Florians Mutter und Claudias Mutter – obwohl, ich will das meiste durch Florians Träume zeigen; wenn er sich so erinnert: damals Picknick mit der Mutter am Elbstrand; da ist ja auch Sand – wie in Afghanistan.“
Herr Lenz schneidet noch ein wenig nach. „Das kann man ruhig sehen, dass die Szene in Afghanistan nicht in Afghanistan gedreht ist“, erzählt er, „sondern an der Elbe.“ Er sagt ernst: „Am Ende wird mein Film auf dem Mars spielen.“ Auf dem Mars? „Ja, weil man doch sagt“, sagt Herr Lenz: „,Ich könnte diese ganzen Arbeitslosen auf den Mond, also auf den Mars schießen!‘“ Und er schlägt sich auf die Schenkel, lacht sein herzhaftes Lachen, die Schere in der Hand.
Es wird bestimmt ein toller Film werden. „Ja“, sagt Herr Lenz, „das glaube ich auch.“ Das Drehbuch ist fast fertig, er braucht nur noch eine Kamera, Ton, Licht. „Es soll eine Low-Budget-Produktion werden, aber ein bisschen Geld und Unterstützung bräuchte ich schon; dass es jemand gibt, der mir hilft, weil …“ Herr Lenz stoppt. Herr Lenz hat eine Idee! Herr Lenz sagt: „Vielleicht können Sie das in Ihrer Zeitung ja so schreiben, ja?“

Glebs Film, ein Dokumentarfilm von Christian Hornung, 2009. Weitere Informationen unter: www.glebsfilm.de Friseursalon Lenz, Windhukstraße 15, Telefon 880 05 01
Text: Frank Keil
Foto: Daniel Cramer

„Ich möchte nicht, dass Günter denkt: du Arschloch.“

Vor 20 Jahren brach Ex-Hinz&Künztler Uwe Wichmann im Drogenwahn in der Agentur „Panfoto“ von Günter Zint ein. Er ließ so viel mitgehen, dass die Fotoagentur fast ruiniert war. Der finanzielle Schaden und der Vertrauensbruch wogen schwer, eine Versöhnung schien ausgeschlossen. Doch ein Artikel in Hinz&Kunzt über Uwes Leben und seine Firma brachte die Männer dazu, nach all den Jahren wieder miteinander zu reden. Nun will Uwe alles dafür tun, den Schaden wiedergutzumachen. Die Geschichte einer Annäherung.
(aus Hinz&Kunzt 207/Mai 2010)

„Wenn ich an damals denke, zittere ich immer noch“, sagt Günter Zint. „Uwe hat uns im Sommer 1990 bei ‚Panfoto‘ den Laden ausgeräumt; Kameras, Computer, Projektoren, Vergrößerungsgeräte – alles war weg. Selbst die Disketten waren verschwunden; unsere Büros sahen aus wie eine Möbelausstellung. Wir hätten das beinahe nicht überlebt.“ Er schaut geradeaus: „Ich bin wochenlang wie in Trance durch die Gegend gelaufen; ich habe kaum etwas mitbekommen.“ Uwe Wichmann nickt wortlos.

Der einstige Hinz&Kunzt-Verkäufer und der Fotograf sitzen nebeneinander im Sankt Pauli Museum, das Zint ­aufgebaut hat. Seit fast 20 Jahren haben sie nicht mehr miteinander geredet. Jetzt wollen sie ihre Geschichte erzählen.

Günter Zint und Uwe Wichmann
Günter Zint und Uwe Wichmann

Kennengelernt haben sich die beiden Mitte der 70er-Jahre, sie waren gut befreundet, und Uwe Wichmann arbeitete zeitweise in Zints Agentur Panfoto. „Wir haben auch eine Zeit lang zusammengewohnt, es war wie eine Familie. Das war ein Wahnsinnsvertrauensbruch, den ich da …“, sagt Uwe. Er schluckt, senkt den Kopf, versucht sachlich weiterzureden. Zu erklären. „Ich hab damals in der Freiheit Tür gemacht, da hab ich das Saufen wieder angefangen. Dabei war ich über zehn Jahre trocken. Ich bin bald mit so Halblitertulpen voll Baileys rumgerannt.“
Zint unterbricht: „Aber das war doch nicht nur der Alkohol?“ – „Nee“, sagt Uwe: „Bei den Chefs ging öfters mal eine Nase Koks rum und das war mein Untergang. Dann kam noch das Heroin dazu – Koks mit Heroin, es geht rasant, dass du dich total veränderst. Wenn du keinen Stoff mehr hast, hast du Todesangst.“
Zint hat Uwe damals gleich im Verdacht: „Wegen seiner Drogen und weil er wusste, wie man die Alarmanlage ausschaltet. Und ich hatte ihn schon vorher zweimal aus dem Knast geholt.“ Er sieht Uwe von der Seite an. „Uwe hat unglaublich viele Begabungen, aus denen er alles hätte machen können, wenn er nicht so abgestürzt wäre.“
Uwe rückt mit dem Stuhl näher an den Tisch heran: „Ich wollte – und das ist jetzt kein Spruch – ich wollte von Günter drei Kameras ausleihen, ins Pfandhaus bringen, später wieder auslösen. Ich hatte noch einen Schlüssel zu den Räumen …“ – weshalb später auch keine Versicherung für den Schaden aufkam. „Was ich nicht wusste“, unterbricht ihn Zint erneut. „Ich nehme an, du und deine Freundin …“ Uwe nickt: „Meine damalige Freundin war mit, die war genauso auf Turkey wie ich. Plötzlich hat sie gesagt: ‚Wenn du nicht die Computer mitnimmst und das noch und das alles noch, dann fang ich an zu schreien.‘ Es war der Wahnsinn!“ Uwe Wichmann fährt sich übers Gesicht, schweigt. „Beim Prozess dann bekamst du ein Jahr“, sagt Günter Zint und sieht Uwe an. „Auf Bewährung.“
Uwe Wichmann lebt anschließend lange auf der Straße, wird Hinz&Kunzt-Verkäufer, kommt nicht von den Drogen los. Erst als er niedergestochen wird, nur knapp überlebt, macht er einen Entzug – und hält durch. Heute hat er eine Firma, die bei Dreharbeiten für Film und Fernsehen für die Absperrungen verantwortlich ist. „Panfoto hat ja nicht nur fotografiert, sondern schon immer auch Filme produziert“, erklärt Zint. „Und Uwe hat da Requisite und Aufnahmeassistenz gemacht. Er hat bei uns gelernt, was er heute kann.“
Es bleibt nicht aus, dass Günter Zint Uwe Wichmann ab und zu auf St. Pauli trifft: „Immer, wenn ich ihn mit den Zeitungen gesehen hab, hab ich sofort die Straßenseite gewechselt. Automatisch.“
Uwe seinerseits traut sich lange nicht, auf Zint zuzugehen: „Ich hab das immer wieder versucht, ehrlich, aber ich hatte doch nichts in der Hand.“ Dann fasst er sich doch ein Herz, spricht ihn an: „Da hast du nur zu mir gesagt: ‚Geh mir aus den Augen, du Ratte.‘ Das war der zweite Messerstich für mich“, sagt er. Zint schüttelt den Kopf. „Ich hab gesagt: ‚Dir kann ich nur noch in’ Arsch treten‘; da war ich noch so was von sauer und fertig.“ Beide schweigen.
Im Januar dieses Jahres erscheint die Geschichte von Uwes Firma bei Hinz&Kunzt – der Einbruch wird nicht erwähnt. Zint ruft in der Redaktion an, berichtet entsprechend aufgebracht, was vor knapp 20 Jahren passiert ist: „Ich hätte ihm ja den Gerichtsvollzieher auf den Hals schicken können, aber ich wollte ihm nun auch nicht seine Firma kaputt machen.“
Uwe versucht, mit Zint Kontakt aufzunehmen, ruft ihn an, aber Zint legt immer wieder auf. „Nicht auflegen, nicht auflegen, nicht auflegen!“, flehte er zuletzt. Bei der Feier für den verstorbenen Kiez-Maler Erwin Ross Ende März sitzen die beiden unter den vielen Trauergästen zum ersten Mal länger an einem Tisch. Und halten es aus.
Uwe hat dann eine Idee: Er könnte Fördermitglied beim Verein des Sankt Pauli Museums werden. Könnte wenigstens versuchen, symbolisch den angerichteten Schaden wieder gutzumachen. Zint zögert – und willigt schließlich ein.
Dass Panfoto den Einbruch damals überhaupt überstanden hat, ist der Unterstützung zu verdanken, die Zint erfährt: Keiner seiner Mitarbeiter kündigt. Zugleich erscheint ein Spendenaufruf in der Taz und dem medizinkritischen Magazin Dr. Mabuse: „In der ersten Woche kamen allein 12.000 Mark zusammen; insgesamt wurden es mehr als 35.000 Mark. Wir konnten uns davon neue Computer kaufen und neue Kameras; eben alles, was wir brauchten“, erzählt Zint. „Ich weiß nicht, ob es diesen Zusammenhalt heute noch gibt.“
Und – hat er Uwe verziehen? Günter Zint atmet einmal heftig aus: „Diese Frage habe ich befürchtet.“ Er macht eine lange Pause. „Ehrlich – ich weiß es nicht“, sagt er schließlich: „Ich bitte da noch um eine Frist.“ Uwe Wichmann meint: „Ich kann den finanziellen Schaden nicht ungeschehen machen; aber ich kann versuchen, den emotionalen Schaden wieder gutzumachen.“ Und: „Ich möchte nicht, dass Günter, wenn er Fotos von früher sieht, immer wieder denkt: das Arschloch.“ Zint muss kurz schmunzeln: „Normalerweise gibt es bei uns Menschen einen wunderbaren Mechanismus im Gehirn, der unangenehme Dinge so langsam verschwinden lässt. Wenn du aber Fotograf bist, wenn du dann im Archiv wühlst – dann macht es hin und wieder: Bäng!“
Er wird wieder ernst, atmet noch einmal tief aus, sagt dann: „Jeder Mensch hat eine zweite Chance verdient; bei Uwe dürfte es die vierte sein. Aber ich freue mich, dass er heute clean ist. Ich wünsch mir, dass er diese Chance nutzt und dass er es schafft.“
Draußen beim Fotografieren stehen sie wie selbstverständlich nebeneinander. Sie fachsimpeln über Kameras, es geht zurück ins Museum, sie schauen sich Fotos an. Auch Uwe hat Bilder mitgebracht: darunter ein Kinderfoto – ein kleines Mädchen mit einer Strickmütze und einem Ast in der Hand.
Uwe schiebt das Bild Zint zu. „Weißt du noch?“, fragt er. „Ist das Lena?“, fragt Zint zurück. „Ja“, sagt Wichmann, „das muss im Niendorfer Gehege sein.“ Weitere Namen purzeln; viele, über die sie kurz sprechen, sind nicht mehr am Leben. „Aber wir leben noch“, sagt Günter Zint.

Text: Frank Keil
Foto: Mauricio Bustamante