Neubauprojekt in Ottensen : Büros statt Wohnungen

Nicht zum ersten Mal werden in Altona längst versprochene Sozialwohnungen nicht gebaut. Statt einer Mischform aus Wohnen und Arbeiten entsteht auf dem Parkplatz neben den Zeisehallen ein Bürokomplex für Werber. Dabei gingen die Stadt und der Bauherr beim Verkauf noch vom Büro- und Wohnungsbau aus. Wurde das Grundstück deswegen sogar günstiger verkauft?

Zeise-Parkplatz
Das Architekten-Büro Bücking, Ostrop und Flemming belegte mit dem schicken Entwurf für das Wohn- und Gewerbegebäude nur den zweiten Platz im Wettbewerb. Das kann ihnen jetzt egal sein, denn neben den Zeisehallen entsteht ein Bürokomplex.

Wird Altona jetzt der neue Hamburger Kreativstandort? Vieles deutet darauf hin, dass dies eine Zielvorgabe des Bezirks ist. Allerdings rückt dafür der Wohnungsbau in den Hintergrund. So soll statt geplanter 80 Mietwohnungen auf dem Parkplatz neben den Zeisehallen ein sechsstöckiger Bürokomplex für die weltweit größte Werbeagentur WPP entstehen. Wand an Wand mit dem Anfang der 1990er Jahre fertig gestellten Medienzentrum Zeisehallen.

Die Werbeagentur WPP kommt nicht alleine nach Ottensen: Innerhalb eines Jahres haben sich in Altona sieben private Hochschulen beziehungsweise Ausbildungseinrichtungen niedergelassen. Im Oktober 2013 bezog die Wirtschaftshochschule Nordakademie das Dockland am Altonaer Fischmarkt. Nicht weit davon entfernt haben neben der Architektur-Hochschule AAC auch die Design- und Kommunikationshochschulen Design Factory und Brand Academy in der ehemalige Seefahrtsschule am Hafen einen neuen Standort gefunden. Und im Herbst folgen nur wenige hundert Meter entfernt die Hochschule für Gestaltung BTK und die Fachhochschule BiTS der Schauspielschule Stage School auf den „City-Campus“  am Altonaer Bahnhof. Und etwas weiter nördlich hat sich der Softwarehersteller Goodgame Studios in Bahrenfeld angesiedelt und zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen. „Es hat in Altona Tradition, Wohnen und Arbeiten gemeinsam zu betrachten, zu planen und zu leben“, sagt Bezirksamtsleiterin Liane Melzer. „Deswegen freue ich mich, dass auf dem Zeise-Parkplatz in Ottensen neue Arbeitsplätze entstehen und sich der Kreativbereich weiter in Altona ansiedelt.“

Ob in Altona tatsächlich „neue“ Arbeitsplätze entstehen, ist allerdings fraglich. Laut Medien-Fachzeitung Horizont will die WPP Group, dass ihre Hamburger Agenturen, wie Scholz & Friends, „unter einem Dach zusammenarbeiten. Nicht zuletzt dürften dabei aber die Kostenersparnisse im Vordergrund stehen, die eine gemeinsame Immobilie bietet.“ Angaben zu möglichen neuen Arbeitsplätzen will Scholz & Friends gegenüber Hinz&Kunzt nicht tätigen. Lediglich den geplanten Umzug bestätigt die Unternehmenssprecherin.

Vor zwei Jahren klang die Zielsetzung des Bezirks noch völlig anders: Geplant waren auf der etwa 2600 Quadratmeter großen Fläche eine sogenannte Mischnutzung aus Gewerbe und Wohnraum, „um dem in Hamburg und vor allem auch im begehrten Stadtteil Ottensen stetig wachsenden Bedarf an Wohnraum angemessen zu begegnen“, so die Begründung im Ausschreibungstext für das Areal. Das Besondere: Die Hälfte der etwa 80 geplanten Mietwohnungen wären Sozialwohnungen geworden – also deutlich mehr als der sogenannte Drittelmix vorgibt. „Da sind wir richtig stolz drauf“, sagte damals Mark Classen, Stadtplanungsexperte der SPD-Fraktion im Bezirk, dem Abendblatt.

Im Gegenzug sollte das Grundstück billiger verkauft werden. Nach Informationen der Hamburger Morgenpost bekam der Projektentwickler Procom Invest das städtische Grundstück zu einem günstigeren Preis, mit der Zusage, 50 Prozent Sozialwohnungen zu bauen. Procom bestätigt auf Hinz&Kunzt-Nachfrage, dass bei der Festlegung des Verkaufpreises tatsächlich der Bau von Sozialwohnungen eine Rolle gespielt habe. Das für den Verkauf angesetzte gutachterliche Wertermittlungsverfahren „beinhaltete verschiedene mögliche Nutzungsarten – frei finanziert und geförderten Wohnungsbau sowie Gewerbe- und Büroflächen“, heißt es aus der Presseabteilung des Unternehmens. Die Finanzbehörde hingegen wollte sich gegenüber Hinz&Kunzt dazu nicht äußern. Es handele sich um ein laufendes Verfahren, so die Begründung.

Es wäre nicht das erste Mal, dass in Altona bei Neubauprojekten keine Sozialwohnungen gebaut werden: 118 Wohnungen entstehen am Celsiusweg in Bahrenfeld. Allerdings keine einzige Sozialwohnung. Dabei sieht der zwischen Stadt und Wohnungsbaugesellschaften geschlossene Vertrag für Hamburg vor, dass bei Bauprojekten mit über 20 Wohneinheiten ein Drittel öffentlich gefördert Wohnraum entsteht. Kerstin Godenschwege, Pressesprecherin des Bezirks, verweist allerdings darauf, dass der Bauantrag für die sogenannte Stahltwiete am Celsiusweg bereits vor der Unterzeichnung des Vertrags gestellt wurde.

Ein weiterer Fall der für Unmut sorgte: Beim Neubau an der sogenannten Bergspitze gegenüber vom Ikea-Neubau in Altona, musste der Investor keine Sozialwohnungen bauen. Das Bezirksamt hatte angeblich vergessen, den notwendigen Vertrag mit ihm abzuschließen. Kerstin Godenschwege weist diesen Vorwurf zurück: Nur weil die Bezirksversammlung auf einen schnellen Baubeginn gedrängt habe, wäre der Bauherr von der Verpflichtung zum sozialen Wohnungsbau ausgenommen worden. Es handele sich dabei um einen „Einzelfall“.

Bezirksamtsleiterin Liane Melzer kann die Kritik ebenfalls nicht verstehen: „Auf die Errichtung von Wohnungen im sozialen Wohnungsbau wird in Altona sehr viel Wert gelegt und dies, soweit es rechtlich möglich ist, auch durchgesetzt.“ Der Bezirk habe in den vergangenen Jahren die im Vertrag für Hamburg festgelegten Zahlen für zu genehmigende Wohneinheiten immer erfüllt. Procom Invest geht noch einen Schritt weiter: Durch die Verlegung des Bahnhofs entstünde viel Wohnraum. „Mit unserem Projekt im Herzen von Ottensen steuern wir dem Trend entgegen, in einem Stadtteil Monostrukturen zu schaffen, das seit jeher durch den Mix aus Wohnen und Arbeiten geprägt ist.“

Die hamburgweiten Zahlen sprechen allerdings eine andere Sprache: Bei Weitem wurden nicht so viele Sozialwohnungen gebaut, wie vom SPD-Senat versprochen: 654 öffentlich geförderte Mietwohnungen seien 2013 fertiggestellt worden – statt der versprochenen 2000 pro Jahr. Und allein in den kommenden zwei Jahren fallen 11.000 Sozialwohnungen aus der Bindung. Die Behörde verweist auf lange Genehmigungsverfahren für die Neubauten. Und so wird auch in diesem Jahr die 2000er-Marke noch nicht erreicht. Denn im Bau befinden sich derzeit 1662 Sozialwohnungen.

Text: Jonas Füllner
Foto: bof Architekten