Momentaufnahme : „Alles Gewöhnungssache“

Hinz&Künztler Alex ist ein Einzelkämpfer. Das stört ihn nicht, sagt er. Und auch mit seinem Leben auf der Straße ist er zufrieden: Der 25-Jährige zeltet mit anderen an der Alster und hält sich mit Hinz&Kunzt-Verkauf und schnorren über Wasser. 

Alex hat wenig Erwartungen ans Leben. Aber Wohnungsleerstand regt ihn auf.

Alex ist mutterseelenallein. Schon immer gewesen, eigentlich. Zwar hat er früher bei seinen Eltern gewohnt, aber auszuhalten war es da nie, erzählt er. „Es gab immer nur Zoff“, beschreibt der 25-jährige Hinz&Künztler seine Kindheit in einer norddeutschen Stadt. Auch Gewalt? Alex nickt.

Er ist ein kleiner Junge, „acht oder neun Jahre alt“, als er in ein Kinderheim in Kiel kommt. Alex ist viel zu klein, um allein zu sein. Aber er hat zu viel erlebt, um sich von Erwachsenen noch irgendwas sagen zu lassen. Immer wieder haut er ab. In die Schule geht er selten und ab der achten Klasse gar nicht mehr. Er verträgt weder Regeln noch die Gemeinschaft. „Ich wollte meine Ruhe“, sagt Alex. Mit 13 Jahren ist er endgültig auf der Straße, schlägt sich in Norddeutschland durch. Sobald ein Streetworker, naht versteckt er sich. „Die hätten mich ja zum Jugendamt bringen müssen.“

Jahr um Jahr verbringt Alex auf Platte, mal in dieser, mal in jener Stadt. Auf der Straße findet er keinen Familien­­­­­­­­ersatz, er will auch keinen, ­beteuert er. „Man ist mal mit diesen und dann mit anderen Leuten zusammen. Dann ziehen welche weiter, dann ­kommen andere dazu.“ Alex ist es egal.

Seit vier Jahren ist er jetzt in Hamburg. Die Hansestadt ist ihm so recht wie jede andere. „Ich habe nicht viele Erwartungen“, sagt er. Eigentlich hat er gar keine. Seine Tage laufen meistens so ab: „Nach dem Aufstehen erst mal schnorren, dann Essen holen.“ Auf ­einem Campingkocher werden Konservendosen erwärmt. Essen. Wieder schnorren, manchmal Hinz&Kunzt ­verkaufen, im U2-Tunnel am Hauptbahnhof. Schlafen. Aufstehen. Und so weiter. „Ein geregelter Ablauf, wie ihn auch Leute haben, die in einer ­Wohnung wohnen“, findet Alex. „Alles Gewöhnungssache.“ Trotzdem sei er zurzeit auf Wohnungssuche, sagt er. Doch es klingt, als würde er das deshalb sagen, weil es von ihm erwartet wird.

Einmal hat Alex sich für etwas eingesetzt: Im Februar 2011 war er eines der Gesichter der Hinz&Kunzt-Kampagne gegen Leerstand. Darüber kann Alex sich aufregen: dass mindestens 1000 Wohnungen in Hamburg unbewohnt „vergammeln“ und so viele kein Dach über dem Kopf haben. Manchmal ­besetzt Alex eins der Gebäude zusammen mit anderen. Den Winter hat er mit einer Gruppe junger Obdachloser in einer alten Teppichfabrik in Altona verbracht. Aber die sollte dann abge­rissen werden. Da hat Alex sich zum Schlafen auf die Straßen St. Paulis ­gelegt, ist ein paar Wochen später erst zum Rödingsmarkt weitergezogen und kurz darauf wieder weiter. Eine Platte, findet Alex, ist so gut wie jede andere.

Hinz&Kunzt: Wo schläfst du zur Zeit und wie ist es da?
Alex: Mit drei anderen und einem Hund zelten wir an der Alster. Hoffentlich können wir da bleiben, wir räumen auch immer alles auf.

H&K: Wenn du einen Wunsch frei hättest, was würdest du dir wünschen?
Alex: Gut wäre, wenn es weiter so läuft wie jetzt.

Text: Beatrice Blank
Foto: Mauricio Bustamante