Wulffsche Siedlung : Auch ein paar Sozialwohnungen

Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau verspricht den Bau von Sozialwohnungen bei der Neugestaltung der Wulffschen Siedlung. Wie viele es sein sollen, wird noch verhandelt. Klar ist aber: Nach Abriss und Neubau werden die meisten Mieter draufzahlen.

Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau: 60 Prozent Sozialwohnungen fände sie schön. Weniger als 30 Prozent sind in Hamburg nicht erlaubt.

Oft gehen ja Wunsch und Wirklichkeit auseinander. Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau (SPD) zum Beispiel hätte gerne, dass mehr als die Hälfte der 150 Wohnungen, die beim Neubau der Wulffschen Siedlung in Langenhorn entstehen, Sozialwohnungen werden: „Ich wünsche mir einen Anteil von 60 Prozent.“ Das muss aber mit der Wirklichkeit nicht unbedingt viel zu tun haben. Denn gerade mal einen Anteil von einem Drittel verspricht die Senatorin bei ihrem Besuch in der Siedlung im Rahmen ihrer „Sommertour“ zu aktuellen Umwelt- und Wohnungsbauprojekten in Hamburg: „30 Prozent werden es auf jeden Fall.“ Na klar: Das ist in Hamburg ja auch die Vorgabe für alle Wohnungsbauprojekte.

Immerhin: Dass es in der Wulffschen Siedlung nach dem Abriss und Neubau der 34 Häuserblöcke, die in den Jahren zwischen 1942 und 1952 entstanden sind, überhaupt Sozialwohnungen geben wird und wie viele, das will die Senatorin in einem städtebaulichen Vertrag noch in diesem Jahr festschreiben. Das Planverfahren, das den Abriss und Neubau vorsieht, wurde vor genau einem Monat eröffnet. Man muss sagen: zum zweiten Mal eröffnet. Denn schon vor rund zwei Jahren hatten die Grundeigentümer der Siedlung genau das vor. Festgeschrieben war das im Bebauungsplan „Langenhorn 73“.

Aus Angst vor hohen Mieten und Verdrängung hatten Anwohner der Siedlung ein Bürgerbegehren gestartet: „Stoppt Langenhorn 73!“ Zur Zeit beträgt die Warmmiete in der Wulffschen Siedlung durchschnittlich zehn Euro pro Quadratmeter.Wie hoch die Miete nach Abriss und Neubau sein wird, kann Jörg Drefers von der Hansa Grundstücksverwaltung, die die Siedlung betreut, nicht sagen: „Unser Ziel ist, dass wir bei den Neubauten in die Nähe der heutigen Warmmiete kommen, plus einem Modernisierungszuschlag.“

Zehn Euro pro Quadratmeter: Dieser Preis ist nach dem Neubau nicht zu halten. 

Verwalter Jörg Drefers: „Niemand muss ausziehen, wenn er nicht will."

Dass sie sich das nicht mehr werden leisten können, davor haben die Mitglieder der Bürgerinitiative Angst. Andere Bewohner, darunter der Mieterbeirat der Siedlung, hatten die Pläne der Eigentümer befürwortet. Sie vertrauten auf die Zusage, die Siedlung langfristig und schonend neu gestalten zu wollen. Die Eigentümer hatten sich rechtsverbindlich verpflichtet, keine unbefristeten Mietverträge im Zusammenhang mit der Neugestaltung der Siedlung zu kündigen. Abriss und Neubau sollten nach und nach, „innerhalb der kommenden zehn bis 15 Jahre“, vorgenommen werden. Zudem haben die Eigentümer eine Kündigungsverzichtserklärung abgeben. Das heißt: „Keiner muss ausziehen, der es nicht will“, sagt Jörg Drefers. Das gilt für die Mieter mit unbefristeten Verträgen, laut Drefers „weit über 95 Prozent“. Will einer von denen seine Wohnung nicht räumen, kann das entsprechende Haus nicht abgerissen werden. Um die Mieter zur Mitarbeit zu bewegen will Drefers möglichst „attraktive Angebote“ für Ersatzwohnungen machen.

Trotz dieser Versprechen gipfelte im Oktober 2011 das Engagement der Bürgerinitiative gegen Langenhorn 73 in einem Bürgerentscheid. Bei einer Stichfrage stimmten rund zwei Drittel der Teilnehmer gegen Abriss und Neubau der Siedlung. Doch dabei blieb es nicht. Im März 2012 riss der Senat durch eine sogenannte Evokation die Entscheidungshoheit über die Zukunft der Wulffschen Siedlung an sich. Das ermöglicht jetzt die Wiederaufnahme der Pläne.

Blick auf typische Häuser der Wulffschen Wohnquartiers, das in den 40er- und 50er-Jahren nach dem Vorbild einer Gartenbausiedlung entstand.

Darüber freuen sich die Teilnehmer des Rundgangs durch die Siedlung im Rahmen der Sommertour der Senatorin – neben Jutta Blankau Vertreter der Eigentümer und der Grundstücksverwaltung. „Wir sind auf dem richtigen Weg“, sagt sie Senatorin. Sie, selbst wohnhaft im Bezirk Nord, habe die Siedlung bisher nur von außen gekannt: „Jetzt kenne ich auch die Wohnungen. Sie sind von den Mietern schön eingerichtet und gepflegt, aber sie sind nicht zeitgemäß.“ Tatsächlich hat der Zahn der Zeit an den Häusern genagt: Die Substanz ist marode, von energetischem Standard kann keine Rede sein, die Wohnungsgröße beträgt im Schnitt 49 Quadratmeter.

Eigentümer Thomas Haas-Rickertsen: „Den Charakter der Siedlung erhalten.“

„Ich habe schon Anfang der 1990er-Jahre darüber nachgedacht: Wie gehen wir in die Zukunft?“, sagt Eigentümer Thomas Haas-Rickertsen, der die Hamburger Hawobau vertritt. „Wir haben Gutachten erstellen lassen und die Fachleute kamen zu dem Ergebnis, dass Erhaltung keinen Sinn macht.“ Über den Widerstand der Bürgerinitiative sei er überrascht gewesen, sagt Haas-Rickertsen. Deren Ängste seien unbegründet: „Wir wollen den Charakter der Siedlung erhalten.“ Dazu sollen beim Neubau kleinere wie größere Wohnungen entstehen: Damit Familien kommen und Ältere bleiben können.

Das findet auch Senatorin Blankau gut. Langenhorn 73 sein „ein weiterer Schritt nach vorn für einen besseren Klimaschutz in Hamburg“. Und ein Beitrag zu „mehr bezahlbarem Wohnraum“. Doch selbst wenn der Wunsch der Senatorin in Erfüllung geht: Maximal 100 der dann 700 Wohnungen werden Sozialwohnungen sein, im schlechtesten Fall werden es sogar nur 50 Wohnungen, die je nach Förderweg zwischen 5,90 Euro und 8 Euro pro Quadratmeter kosten. Die Behörde für Umwelt und Stadtentwicklung, so ist es einer Pressemeldung zu entnehmen, findet, das sei „ein hoher Anteil“. Bezahlbaren Wohnraum würden sich aber bestimmt mehr der Bewohner der Wulffschen Siedlung wünschen. Es bleibt spannend.

Text: Beatrice Blank
Fotos: Maurice Kohl