St. Pauli, deine Paulianer/Teil 9

Zum 100. Geburtstag des FC St. Pauli stellen wir ab heute 100 Paulianer vor, denn: den Mythos machen die Menschen!

Ohne sie wäre der Kiez-Klub ein Verein wie jeder andere. Vom schwulen Präsidenten bis zur Putzfrau, vom Papst bis zum Punk – es sind die Legenden und schrägen Vögel, die den Mythos leben. 100 Jahre St. Pauli – 100 St. Paulianer im Mini-Porträt

Teil 9: Von Tod und Teufel bis zum Schwarzen Peter

Gunter Gerlach (68): Der Krimi-Autor ließ für seine Geschichte „Pauli, Tod und Teufel“ (2002, Hamburger Abendblatt) einen Mann auf der Tribüne ermorden. Zum Glück alles frei erfunden…

Ben Tohmfor: Als Vorsänger auf dem Stadionzaun kriegt er vom Spiel selbst meist nicht viel mit und doch sorgt er für Stimmung. Sind anderorts Ultràs = Hooligans, so gleichen die Ultrà Sankt Paulis eher einem Polit-Gesangsverein. Denn Ziel der USP ist eine „Kurve mit 3000 Singenden, verschiedensten Menschen jedes Schlags, besonders auch jedes Alters“. „Ultra heißt einfach nur übers Ziel hinaus“, so Tohmfor.

Norbert Harz (36): Der Finanzbeamte schreibt die Fussi-Kolumne „Norbert regt sich auf“ und ist Sprecher von „Fanräume e.V.“. „Der Verein will selbstverwaltete Räume für Fans und Stadtteilbewohner schaffen und im Stadion eine Heimat entstehen lassen.“ Was alle Fans eint, ist laut Harz „der antifaschistische Konsens, der nach wie vor sehr deutlich gelebt wird.“

Benedikt Pliquett (25): Im Januar erst hat Trainer Stani seinen Vertrag bis 2012 verlängert, doch „Bene“ musste auch lange darauf warten, die Nummer Eins im Tor zu werden. Der Fast-Zweimeter-Mann (199 cm) spielt schon seit 2004 am Millerntor

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Schriftsteller Günter Grass, Foto: action press/Michael Panckow

Günter Grass (82): Es war ein Experiment und es scheiterte kläglich. Die Lesung mit dem Literatur-Nobelpreisträger im Stadion sollte als Benefiz-Event Geld in die Vereinskasse bringen, doch es kamen gerade mal 1000 Menschen.

Otto Wolff (1907-1991): Auch wenn es weh tut: St.Pauli war keineswegs stets ein Hort der Aufrechten und Antifa-Kämpfer. So spielte in den 30er das NSDAP-Mitglied Otto Wolff in der ersten Elf des Clubs. Ein Mann, der 1940 Gauwirtschaftsleiter wurde und für die Organisation der Zwangsarbeit mitverantwortlich war. Dafür kann der Verein natürlich nichts, wohl aber hätte ihm 1960 nicht die Goldene Ehrennadel überreicht werden müssen.

Peter Jürs (1895-1945): Er war Mannschaftsbetreuer beim FC. Seit 1937 arbeitete der Fußballer beim Wehrbezirkskommando. Und genau dort soll er illegal Hamburger vom Wehrdienst zurückgestellt haben. Wegen „Wehrkraftzersetzung“ zum Tode verurteilt, kam Jürs ins KZ Neuengamme. Er starb 1945 beim Untergang des Gefangenen-Schiffes Cap Arcona.

Otmar Sommerfeld (1929-2008): Als Libero in den 50ern ließ er selbst Top-Spieler wie Uwe Seeler alt aussehen. Dennoch ist aus dem Publikumsliebling nie einer der ganz Großen auf der Fußball-Bühne geworden, trotz lukrativer Angebote. „Das Menschliche auf St. Pauli, das war so stark, man kann das gar nicht erklären“, so der Mittelläufer. „Kohle ist auch nicht alles.“

Erna Thomsen (86): Die Wirtin des „Silbersacks“ ist selber lebende Legende. Seit 2003 ist sie St.-Pauli-Mitglied. „Weil es denen schlecht ging. Da muss man ja zusammenhalten.“

Peter Osterhoff (73): Der „schwarze Peter“ steht auf der Rekordliste des Vereins unerreicht ganz oben. 182 Treffer in 320 Pflichtspielen schlenzte der erfolgreichste Torjäger in den Kasten.

Teil 1: Vom Top-Talent bis zum Aufstiegstrainer

Teil 2: Vom heiligen Vater bis zum vielleicht besten Trainer ever

Teil 3: Von einer Königin bis zu kultigen Krachmachern

Teil 4: Vom „Commandante“ bis zum „Boller“

Teil 5: Vom Zeugwart bis zum Rübentransporter

Teil 6: Vom Göttermacher bis zum Schlachter

Teil 7: Vom Verunfalltem bis zum Urgestein

Teil 8: Vom Westfalen bis zum Schwarzafrikaner

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