Zuckerbrot und Peitsche

Housing Improvement District: Wie die Stadt Immobilienbesitzer dazu bringen will, mehr fürs Quartier zu tun

(aus Hinz&Kunzt 175/September 2007)

Ungezügelt sprießende Büsche, herumfliegende Plastiktüten: So etwas soll es nach dem Willen von Stadt und Wohnungsgesellschaften in Neu-Steilshoop bald nicht mehr geben. Das Zauberwort heißt „Housing Improvement District“. Dahinter verbirgt sich die Idee, mit Hilfe eines Gesetzes Grundeigentümer zu bewegen, etwas fürs Quartier zu tun

Wenn Frithjof Büttner Skeptiker von seiner Idee überzeugen will, führt er sie durch den Neuen Wall. Dann zeigt der 47-jährige Stadtplaner auf die Bürgersteige, auf denen nicht eine Zigarettenkippe zu finden ist. Oder verweist auf die zahlreichen neuen Parkstangen für Fahrräder. Oder lobt die optische „Luftigkeit“ der Einkaufsstraße, nachdem die meisten Straßenschilder entfernt worden sind. „Ohne den Business Improvement District wäre das nicht möglich gewesen“, sagt der BID-Beauftragte der Stadt stolz und umschreibt die in den USA erfundene Methode mit der Formel „sanfter gesetzlicher Druck“.

Der soll nun auch Grundeigentümer in Neu-Steilshoop dazu bringen, mehr fürs Quartier zu tun. Weil es hier nicht um eine Einkaufsstraße, sondern um ein Wohngebiet geht, heißt das Pilotprojekt „Housing Improvement District“ (HID). Das Prinzip ist das Gleiche wie beim BID: Grundeigentümer setzen sich an einen Tisch und entwickeln Ideen fürs Quartier, deren Umsetzung sie bezahlen wollen. Widersprechen weniger als ein Drittel der Eigentümer dem HID, wird dieser per Verordnung eingerichtet. Die Folge: Jeder muss eine Abgabe in einen Topf einzahlen, aus dem die mit der Stadt abgesprochenen Maßnahmen bezahlt werden.

In Neu-Steilshoop gehe es vor allem darum, die Fußgängerpassage Mittelachse zu „modernisieren“ und deren Pflege und Reinigung besser abzustimmen, so Büttner. „Das Problem ist, dass zum Teil das Bezirksamt zuständig ist und zum Teil die Grundeigentümer.“ Von „On-top-Maßnahmen“ spricht der Mann von der Stadtentwicklungsbehörde und wehrt sich gegen den Vorwurf, die Stadt habe die Pflege des öffentlichen Raums vernachlässigt und bitte nun die Eigentümer zur Kasse. Und warum Neu-Steilshoop? „Die Grundeigentümer dort sind an Veränderungen interessiert. Sie hatten sich schon vorher zusammengesetzt, um zu überlegen, wie die Situation im Stadtteil verbessert werden könnte.“

Sieben Millionen Euro könnte die Umgestaltung der Mittelachse am Ende kosten, schätzt der Beauftragte der Stadt. Etwa 60 Prozent davon trage in diesem Fall ausnahmsweise die Stadt, so Büttner: „Das entspricht dem Anteil der öffentlichen Flächen.“ Den Rest sollen die privaten Grundeigentümer zahlen. Warum die mitmachen könnten, hat Stadtentwicklungssenator Axel Gedaschko kürzlich auf den Punkt gebracht: „Durch die Umfeldverschönerung erhöht sich auch der Wert der Immobilie.“ Dennoch, versichert Büttner, Mieterhöhungen seien nicht zu befürchten: „Wir haben das gutachterlich prüfen lassen.“

Seit Februar kommen die großen Wohnungseigentümer Neu-Steilshoops und die Stadt einmal im Monat zusammen. Mit dabei ist auch die HafenCity Universität, deren Begleitforschung ebenso aus Mitteln der Lebenswerten Stadt bezahlt wird wie der Ideen-Wettbewerb zur Umgestaltung der Fußgängerzone. Noch ist unklar, was darüber hinaus beschlossen werden könnte. Im Gespräch sind Marketing-Maßnahmen fürs Quartier und die Idee, „den öffentlichen Raum ums EKZ herum aufzuwerten“, so Büttner. Problem: Dessen Eigentümer ist bislang den Gesprächen ferngeblieben.

Laut Büttner ist es noch offen, ob es den HID in Neu-Steilshoop überhaupt geben wird. „Die Erfahrung aus den BIDs ist: Allein die Tatsache, dass es das Gesetz gibt, führt dazu, dass der eine oder andere mitmacht“, sagt der Verhandlungsführer der Stadt und zitiert eine Zeitung, die kürzlich von einem „Instrument des freiwilligen Zwangs“ schrieb.

„Wir würden das Gesetz begrüßen. Dass alle an den Kosten von Maßnahmen beteiligt sind, von denen sie profitieren, ist vernünftig“, sagt Mario Spitzmüller, Sprecher von SAGA GWG. Das Engagement der städtischen Wohnungsgesellschaft verwundert nicht: Rund 30 Millionen Euro haben SAGA GWG seit 2000 in ihre Wohnungen in Neu-Steilshoop investiert. Doch da jede dritte Wohnung im Quartier der Gagfah gehört, weiß auch Spitzmüller: „Ohne die geht es nicht.“

Und die Gagfah sitzt tatsächlich mit am Tisch. Doch was hat das zu bedeuten? Bislang ist das Unternehmen nicht durch besonderes Engagement aufgefallen, von Investitionen im Quartier ist nichts bekannt. Auf Anfrage erklärt die Gagfah vage: „Eine Reihe von Wohnungen haben wir renoviert.“ Zudem sei der Austausch von Aufzügen geplant. Das Unternehmen beteilige sich am HID. „Ein darüber hinausgehendes Engagement wird derzeit intern geprüft.“

Optimisten hoffen auf den Druck der Geldgeber: Weil die Rendite schlechter ausgefallen sei als erwartet, müsse die Gagfah investieren, um ihre Wohnungen besser verkaufen zu können. Folgt das Unternehmen dieser Logik, könnte Frithjof Büttner vielleicht schon kommendes Jahr zur Führung durch die „neue“ Mittelachse laden.

Uli Jonas

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