Zelte statt Wohnungen : Ein Zeltlager für Flüchtlinge

Im Oktober der Schock: Die Innenbehörde stellt wie in Flüchtlingslagern in Afrika Zelte auf, weil seit August nicht mehr nur 80 Flüchtlinge kommen, sondern 300. Ende November ist der Spuk vorbei: Eine behördenübergreifende Arbeitsgruppe will 1000 neue Plätze für Flüchtlinge und Wohnungslose schaffen – und die Zelte sollen abgebaut werden.

Ende November appelliert Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) an die Solidarität der Hamburger: Innen- und Sozialbehörde wollen gemeinsam 1000 Plätze zusätzlich für Flüchtlinge und Wohnungslose schaffen. „Die Stadt ist darauf angewiesen, dass die Bürgerinnen und Bürger jetzt zusammenstehen“, so der Sozialsenator. Hintergrund: Anwohnerproteste verzögern oder verhindern immer wieder die Einrichtung einiger Unterkünfte.

Mit Hochdruck arbeitet die behördenübergreifende Arbeitsgruppe daran, neue Unterkünfte zu schaffen. Spät, aber immerhin! Denn schon im Oktober wusste die Innenbehörde nicht mehr, wo sie die neuen Flüchtlinge unterbringen sollte. Zwar war klar, dass in Serbien und Mazedonien keine Visumspflicht mehr gilt und dass bald auch Flüchtlinge aus Syrien eintreffen könnten. Trotzdem schien die Behörde offensichtlich überrascht, als sie dann da waren.

Statt 80 wie noch im August kommen um die 300. Schnell wurden Zelte vor der Erstaufnahmestelle in der Sportallee aufgebaut. Sie sehen aus wie ein Flüchtlingslager in Afrika. 36 Leute sollen in einem Zelt schlafen, mit einem schmalen Gang zwischen den Betten, kein Schrank, kein Stuhl, dafür ein Riesenrohr, aus dem warme Luft geblasen wird.

Die Zelte findet Anne Harms von Fluchtpunkt nicht das Hauptproblem: „Wenn die Flüchtlinge zwei Wochen im Zelt verbringen, dann zügig in eine Unterkunft und anschließend in eine normale Wohnung umziehen könnten, würden wir gar nichts sagen.“ Aber es werde einfach ignoriert, dass bestimmte Flüchtlinge immer in Hamburg bleiben, dass sie irgendwann arbeiten, und die Kinder hier in die Schule gehen. „Viele Kinder kennen nur das: ein Leben in einer Unterkunft, im Getto, wo es tendenziell immer zu eng ist und wo sie stigmatisiert sind“, so Anne Harms. Wohnungen für diesen Personenkreis vorzuhalten sei gar nicht vorgesehen.

Viele Familien mit Kindern sind unter den Neuankömmlingen in der Sportallee. Viele Roma. In Schnellverfahren wird über ihre Lage entschieden. Ein Schelm, wer denkt, dass das ein Abschreckungsszenario sein soll. Denn die Innenbehörde vermutet, dass die Menschen nicht unbedingt politisch verfolgt werden, sondern dass sie auf der Flucht sind vor der Armut und der Kälte. Wir haben gehört: Viele haben zuhause nicht einmal eine Heizung.

Die Mitarbeiter der Anlaufstelle haben Mitgefühl, vor allem mit den Kindern. „Für uns alle ist das nicht schön“, sagt Unterkunftsleiter Carsten Mahlke. Zumal man ja die Verhältnisse in den Heimatländern kenne: dass die Roma diskriminiert würden und sich immer hinten anstellen müssten, keine Arbeit hätten und keine medizinische Versorgung. Da lohne es sich schon herzukommen, zumal es ein Taschengeld gebe und eine Grundversorgung. In Mahlkes Büro stapelt sich Spielzeug für die Kinder. Die Feuerwehr hat sogar massenweise Teddybären gespendet.

Aber wessen Asylantrag abgelehnt wird, der wird schnell abgeschoben, trotz des Winters. Das findet Anne Harms von Fluchtpunkt ganz bitter: Erwachsene und Kinder werden in zum Teil unhaltbare Verhältnisse abgeschoben: wie Mahlke schon sagte, in halb verfallene Häuser ohne Heizung. Was die hiesige Unterbringung anbelangt, ist die Innenbehörde schon einen Schritt weiter: Gegenüber steht ein Bürogebäude leer, da soll jetzt die Zentrale Erstaufnahme und die Kantine einziehen. Dadurch werden Zimmer frei in der bisherigen Erstaufnahme in der Sportallee. Vielleicht sind die Zelte dann schon bald Geschichte, hofft die Innenbehörde.

Dossier: Wohnungsnotstadt Hamburg

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Text: Birgit Müller
Foto: Dmitrij Leltschuk