„Die Stadt sollte echte Perspektiven bieten“

Sonja Norgall ist seit 2010 Projektleiterin des Hamburger Mitternachtsbusses der Diakonie, mit dem Ehrenamtliche jeden Abend heiße Getränke, Essen und Decken zu den Schlafplätzen Obdachloser bringen.

Sonja Norgall, Mitternachtsbus. Foto: Markus Scholz

Hinz&Kunzt: Wer kommt speziell im Winter zu Ihnen?
Sonja Norgall: Im Wesentlichen sind es die gleichen Menschen wie im Sommer, nur dass im Winter weniger kommen: im Schnitt zwischen 50 und 70, weil mehr Obdachlose in Notunterkünften unterkommen. Im Sommer sind es bis zu 150.

H&K: Eine Erinnerung an das vergangene Winternotprogramm?
Norgall: Es ist voller geworden als in den Jahren davor: Im vergangenen Winter hatten wir erstmals teilweise bis zu 100 Menschen am Bus. Die Lage hat sich zugespitzt. Dann begleitet uns verstärkt das Thema Migration in den letzten beiden Jahren. Es gibt vor allem mehr osteuropäische und afrikanische Migranten, die zum Mitternachtsbus kommen.

H&K: Was erhoffen Sie sich vom kommenden Winternotprogramm?
Norgall: Wir erhoffen uns jedes Jahr das Gleiche: Dass es verlässliche, langfristige Plätze gibt. Es sollte nicht immer wieder dieses Winterstückwerk geben. Wir können ja die Uhr danach stellen: Mit Ende des Winternotprogramm Mitte April stehen de Leute wieder bei uns am Bus.

H&K: Und was befürchten Sie?
Norgall: Dass jemand erfriert, obwohl wir ihm einen zweiten Schlafsack gegeben haben. Das ist unser Horrorszenario.

H&K: Ihr Appell an die Stadt?
Norgall: Die Stadt sollte längerfristige, echte Perspektiven bieten. Besonders auch für Migranten aus Osteuropa. Denen können wir momentan kaum mehr als einen heißen Kaffee anbieten. Wir sprechen die Sprache nicht und es gibt kaum Stellen, wo man sie versteht und ihnen Unterstützung bietet. Es muss auch mehr Geld zur Verfügung gestellt werden.

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Andreas Bischke, Tagesaufenthaltsstätte Herz As:

„Ich fürchte, wir sind dem Ansturm nicht gewachsen.“

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Nikolas Borchert, Wohnungslosen-Zentrum der Diakonie:

„Es ist entwürdigend.“

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Stephan Karrenbauer, Hinz&Kunzt:

„Hoffentlich erfriert niemand.“

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Dr. Arne Breest, Schwester Julia, Jannik, Mobile Hilfe:

„Wir hoffen, es bleibt friedlich.“

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Angst vor dem Winter

„Es ist entwürdigend“

Nikolas Borchert fuhr 1996 erstmals Obdachlose mit dem Bus ins Winternotprogramm, seit 2008 ist er Sozialarbeiter bei der Tagesaufenthaltsstätte des Diakonischen Werkes in der Bundesstraße (TAS)

Nikolas Borchert, TAS

Hinz&Kunzt: Wer kommt speziell im Winter zu Ihnen?
Nikolas Borchert: In erster Linie Obdachlose, die wir schon seit Jahren kennen. Sie wünschen sich einen der Containerplätze für den Winter, die wir hier vergeben. In die Spaldingstraße gehen sie nicht: Weil sie dort Gewalt fürchten und keinerlei Ruhe haben, weil sie zu mehreren in einem Zimmer untergebracht werden. Auch die Tatsache, dass sie morgens raus müssen, ist nicht erträglich.

H&K: Eine Erinnerung an das vergangene Winternotprogramm?
Borchert: Wir hatten noch nie so viele Menschen, die hier schon am Vortag vor der Platzvergabe übernachtet haben: 40 Menschen! Das war erschreckend. Schon nachmittags um 15 Uhr haben die Ersten auf einen Platz gewartet – am Tag davor! Es waren auch viele Paare dabei, die wir schon lange kennen. Und Menschen mit Hunden, für die der Hund der wichtigste Partner und Verbündete ist. Wir konnten nicht alle gemeinsam unterbringen. Leute haben geweint und sind auch laut geworden.

H&K: Was erhoffen Sie sich vom kommenden Winternotprogramm?
Borchert: Dass es am Tag der Containerplatzvergabe friedlich vonstatten geht. Wir wissen nicht, ob 50 oder 150 Menschen am 1. November vor unserer Tür stehen. Weil die Unterkünfte jetzt schon so voll sind, ist der Rückstau hoch. Wir haben jetzt schon ständig Anfragen und können nur sagen: Kommt am 1. November wieder. Das ist entwürdigend für beide Seiten. Perspektivisch hoffe ich, dass die enge Kooperation mit den Kirchengemeinden bestehen bleibt, die uns die Containerplätze zur Verfügung stellen.

H&K: Und was befürchten Sie?
Borchert: Dass wir Menschen haben, die schon zwei Tage vor unserer Tür auf einen Platz warten. Dass wir nicht genügend Plätze haben. Dass wir die Menschen nur noch dahin verweisen können, wohin sie nicht wollen: ins Pik As oder in die Spaldingstrasse. Und dass es Stress bei der Vergabe  gibt.

H&K: Ihr Appell an die Stadt?
Borchert: Die Unterbringung muss sich generell ändern. Es muss kleine Einheiten geben. Die Einzelunterbringung muss durchgesetzt werden.

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Andreas Bischke, Tagesaufenthaltsstätte Herz As:

„Ich fürchte, wir sind dem Ansturm nicht gewachsen.“

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Sonja Norgall, Mitternachtsbus:

„Die Stadt sollte echte Perspektiven bieten“

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Stephan Karrenbauer, Hinz&Kunzt:

„Hoffentlich erfriert niemand.“

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Dr. Arne Breest, Schwester Julia, Jannik, Mobile Hilfe:

„Wir hoffen, es bleibt friedlich.“

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Schauspielerin und Malerin

Ein echter Hoger

Hannelore Hoger ist nicht nur Schauspielerin, sie malt auch. Den Erlös für ihr erstes verkauftes Bild spendet sie an Hinz&Kunzt.

(aus Hinz&Kunzt 237/November 2012)

Hamburger Winterreise

Der Herr des guten Tons

Am Buß- und Bettag gehen Hamburger Künstler in St. Petri auf eine „Winterreise“ zugunsten von Hinz&Kunzt. Mit dabei ist der Musiker, Dirigent und Komponist Claus Bantzer.

(aus Hinz&Kunzt 237/November 2012)

Werkstattbesuch

Die Flüchtigkeit des Augenblicks

Katharina Duwe stammt aus einer Künstlerfamilie. Sie malt seit 30 Jahren – fasziniert von der Kälte und den Brennpunkten der Großstadt. Ein Besuch in ihrem Atelier im Karolinenviertel

(aus Hinz&Kunzt 237/November 2012)

Hamburger Tafel

Danke, Ami!

Sie ist Gründerin der Hamburger Tafel. Als Annemarie Dose ihr öffentliches Leben begann, war sie 66 Jahre alt. Jetzt, 18 Jahre später, will sie sich zurückziehen. Eine Liebeserklärung.

(aus Hinz&Kunzt 237/November 2012)

Niedriglöhner in Hamburg

Noch spart die Stadt und der Bund zahlt drauf

Zahlen des Monats

(aus Hinz&Kunzt237/November 2012)

10.000
Menschen arbeiten mindestens direkt oder indirekt für die Stadt Hamburg und
verdienen dabei so wenig, dass ihr Lohn zum Leben nicht reicht. Das schätzt die Gewerkschaft Verdi.
Insgesamt ist Hamburg ganz oder teilweise an rund 350 Unternehmen beteiligt. Viele von
ihnen haben Tochtergesellschaften gegründet oder Arbeit an Fremdfirmen ausgelagert, um
Lohnkosten einzusparen. Oft geht es dabei um mehrere Hundert Euro im Monat pro Beschäftigtem,
wie das Hamburger Abendblatt kürzlich in einem Report nachwies.

150.000.000
(150 Millionen Euro) hat das Hamburger Jobcenter vergangenes Jahr an die
insgesamt 35.500 Niedriglöhner gezahlt, die ergänzendes Arbeitslosengeld II beziehen.
Mit anderen Worten: Was die Stadt und andere Arbeitgeber an den Gehältern sparen,
zahlen sowohl sie als auch der Bund obendrauf.

Text: Ulrich Jonas

Kurz vor Redaktionsschluss erreichte uns die Meldung, dass Anfang 2013 ein neues Landesmindestlohngesetz in Kraft treten soll. Lesen Sie dazu unsere Meldungen.
Mehr Infos zum Thema im Abendblatt-Report „So drückt die Stadt die Löhne“ unter www.abendblatt.de.

Hamburger Kochreisen

„Das muss rocken!“

Ole Plogstedt ist der Titelheld unserer Hamburger Kochreisen. Als Tour- und Fernsehkoch ist er ständig unterwegs. Es sei denn, er kocht in seinem Restaurant „Olsen“ mit Hinz&Künztlern.

(aus Hinz&Kunzt 237/November 2012)