*** Pressemitteilung *** Nach Tod von Obdachlosem: Hinz&Kunzt prangert Mangel an bezahlbarem Wohnraum an

„Manchmal können wir nur noch zuhören und nicht mehr helfen“, sagt Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer.

Hamburg, 22. Januar 2010. In Hamburg ist der erste Obdachlose in diesem Winter erfroren. Klaus-Dieter B. wurde nur 53 Jahre alt. „Wir sind tief erschüttert und auch wütend“, sagt Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer, „weil wir immer wieder auf die Notsituation der Obdachlosen hinweisen und sich letztlich nicht viel ändert.“

01HK206_Titel.inddZwar sei die Akzeptanz des Winternotprogramms hoch, und die rund 200 Plätze in der Sportallee und in Containern seien meist ausgebucht. „Aber in Hamburg leben insgesamt 1000 Menschen auf der Straße“, so Karrenbauer. „Viele lehnen die Unterkünfte ab, weil sie mit wildfremden Menschen in einem Zimmer schlafen müssen.“ Und auch diese Zwangsgemeinschaft wird jede Nacht neu zusammengewürfelt. Morgens müssen die Obdachlosen die Unterkunft wieder verlassen und ihr Gepäck mitnehmen.

Viele ziehen es deshalb vor, draußen zu übernachten. Dabei bemerken die Obdachlosen oft gar nicht, dass sie schon in Lebensgefahr schweben. „Wer draußen lebt, ist so an die Kälte gewöhnt, dass er nicht spürt, wenn er schon längst unterkühlt ist“, sagt Karrenbauer.

„Kaum erträglich“ findet er es, dass er Obdachlosen, die eine Wohnung suchen, nichts anbieten kann. „Es gibt einfach zu wenig bezahlbaren Wohnraum, das wissen alle, aber es passiert nichts“, sagt der Sozialarbeiter. „Und so habe ich oft nur die Möglichkeit, jemandem zuzuhören, anstatt ihm zu helfen. Und ich weiß, dass es vielen Kollegen in der Obdachlosenarbeit genauso geht.“

Geld und gute Worte

Wie die CDU die armen Stadtteile fördern will und welche Ideen SPD und GAL haben. Ein Überblick von Marc-André Rüssau

(aus Hinz&Kunzt 167/Januar 2007)

Spiele im Rotlicht

Mehr Kunden, mehr Geld, mehr Gewalt: Was Großereignisse wie die Fußball-WM Hamburger Prostituierten bringen

(aus Hinz&Kunzt 160/Juni 2006)

Zur Fußball-Weltmeisterschaft werden Fans aus aller Welt in Hamburg erwartet. Vor allem Männer. Und die, so die Vermutung, haben nicht nur Lust auf Fußball und Bier, sondern auch auf Liebesdienste. Oder wie es in einer Presseerklärung der Gesundheitsbehörde heißt: „Gerade im Zusammenhang mit internationalen Großveranstaltungen – wie etwa der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland – florieren auch die direkten Kontakte von Mensch zu Mensch.“ Für manche eine willkommene Belebung des ältesten Gewerbes der Welt, für andere eine Zunahme von Aggression und Gewalt.

Die Geschichte meines Lebens

Hamburger Journalisten schreiben über die Reportage, die sie am meisten bewegt oder verändert hat. Teil 5: Grimme-Preisträger Michael Richter über Abschiebungen im Morgengrauen

(aus Hinz&Kunzt 159/Mai 2006)

Eine Nacht im November. Ein Trupp der Ausländerbehörde fährt zu einer „morgendlichen Abholung“, wie es in schönem Amtsdeutsch heißt. So bezeichnen die Beamten eine Abschiebung, die sie meist zwischen drei und vier Uhr morgens durchführen. In diesem Fall trifft es die Familie Grajcevci, die das Land verlassen muss. 30 Minuten bleiben den Eltern, um ihre vier Kinder zu wecken, anzuziehen, die nötigsten Sachen in ein paar Taschen zu stopfen und dann in den bereitgestellten Bus der Ausländerbehörde zu steigen.

Der Familienvater protestiert gegen die nächtliche Abholung und regt sich so auf, dass der Notarzt kommen muss. Die Mutter packt mechanisch Babykleidung ein. Die großen Töchter knien geschockt vor ihren Schulranzen auf dem Boden und wissen nicht, was sie mitnehmen sollen, während der kleine Bruder nichts ahnend schläft. Das Ende eines zehn Jahre langen Lebens in Deutschland.

In dieser Nacht begleiten wir die Beamten der Ausländerbehörde. Es ist einer unserer ersten Drehs für einen Film über die Arbeit der Ausländerbehörde in Hamburg. Kameramann Kai Sönnke fühlt sich offensichtlich ebenso unwohl wie ich. Seit zwei Jahren beschäftige ich mich mit der Abschiebung von Flüchtlingen aus Deutschland und habe endlich erreicht, dass wir eine nächtliche Abschiebung tatsächlich filmen können.

Aber jetzt Zeuge zu sein, wie diese Familie im Namen des deutschen Volkes außer Landes geschafft wird, bringt mich an die Grenze meines professionellen Verhaltens. Zu meiner Erleichterung nutzt Herr Grajcevci die Kamera, um seiner Empörung Ausdruck zu verleihen. Er fordert uns auf, die Ausweisung seiner Familie möglichst vielen Menschen zu zeigen. Wir begleiten die Familie noch ein Stück im Bus. Auf der Autobahn nach Bremen steigen wir aus und kehren nach Hamburg zurück.

Das Thema Abschiebung beschäftigte mich, seitdem ich mit einem befreundeten Rechtsanwalt in den Kosovo geflogen war, um einige seiner ehemaligen Klienten zu besuchen. Er hatte sie vergeblich gegen die drohende Abschiebung verteidigt, und wir wollten uns ein Bild machen. Diese Menschen schilderten mir die Umstände ihrer Abschiebung aus Deutschland, die so skandalös waren, dass ich beschloss, darüber einen Film zu machen.

Leichter gedacht als getan. Zunächst lehnten alle Redaktionen das Thema ab. Monatelang versuchte ich, einen Abnehmer für das Filmprojekt zu finden. Erst als sich NDR-Redakteur Werner Grave für das Projekt begeisterte und vorschlug, einen Film über die Hamburger Ausländerbehörde zu machen, konnte ich auf die Unterstützung des Senders zählen.

Zu meinem großen Erstaunen stieß ich bei der Ausländerbehörde nicht auf Ablehnung. Die Arbeit seiner Abteilung werde in der Öffentlichkeit völlig falsch wahrgenommen, sagte Abteilungsleiter Carsten Mahlke. Besonders wichtig war ihm, die tägliche Konfrontation zwischen den Beamten der Behörde und den Ausländern darzustellen, die dort vorstellig wurden. Dennoch dauerte es noch einige Monate, bis alle Widerstände in der Behörde überwunden waren und wir erste Drehtermine im November 2004 vereinbaren konnten – unter anderem den beschriebenen bei der Abschiebung der Familie Grajcevci.

In den nächsten Wochen drehten wir immer wieder in der Behörde. An einem Vormittag wurden mehrere Serben und Roma zu einer Anhörung in die Behörde bestellt. Die Vorgeladenen glaubten, zu einem Routinetermin zu kommen und anschließend wieder nach Hause gehen zu können, während tatsächlich schon der Bus vor der Behörde wartete, um die Abzuschiebenden zum Flughafen zu bringen. Dieses Verfahren erspart der Behörde die Mühe, bei den Unterkünften der „Schüblinge“ vorbeizufahren und sie eventuell nicht anzutreffen.

Routinemäßig wurden alle Vorgeladenen an diesem Vormittag durchsucht. Der Beamte ließ sich alle Gegenstände zeigen, die der Geduldete mit sich führte, und tastete dann, nachdem er sich Handschuhe angezogen hatte, die Person noch einmal ab. Besonders Handys schienen interessant zu sein. Sie mussten ausgeschaltet abgegeben werden. Auf die Nachfrage, weshalb das erforderlich wäre, wurde behauptet, Mobiltelefone könnten als Wurfgeschosse benutzt werden. Der Verdacht liegt allerdings nahe, dass es eher darum ging, eine Kontaktaufnahme zum Anwalt zu unterbinden oder zumindest zu verzögern.

Einem jungen Mann schossen die Tränen in die Augen, als ihm der Beamte seine Abschiebung eröffnete. Fassungslos fragte er: „Aber mein Anwalt hat Ihnen doch einen Brief geschrieben?“ – „Das hat keine aufschiebende Wirkung“, belehrte ihn der Beamte kühl. „Sie wissen, dass sie abgeschoben werden sollen, und heute ist der Tag.“ – „Wie, was?“ der junge Mann verstand nicht. „Wie, was?“, machte der Beamte ihn nach. „Heute werden Sie abgeschoben. Was ist mit Klamotten? Sie fahren jetzt nach Hause, holen ihre Klamotten, und dann geht’s los.“

Wir hatten uns mit unserer Kamera in die eine Ecke des Raumes zurückgezogen, um möglichst unauffällig drehen zu können. Ein Computer vor unserem Kamerastandpunkt lief seit dem frühen Morgen. Als Bildschirmschoner flimmerte ein Satz stundenlang vor unserer Kamera über den Monitor: „Wir buchen, Sie fluchen – mit freundlichen Grüßen der Never-Come-Back-Airlines.“

Sachbearbeiter Sven R. gab sich immer besonders unnachgiebig. Er schien eine besonders harte Linie gegenüber den Abzuschiebenden zu verfolgen. Ich bat ihn, auch bei ihm drehen zu dürfen. Er stimmte bereitwillig zu. Die ersten Klienten wurden schnell abgefertigt, sie wollten auch nicht gedreht werden. Also blieb unsere Kamera aus. Dann betraten zwei junge Frauen den Raum. Elvira Sisic, eine Roma aus Montenegro, hatte eine Begleiterin mitgebracht, weil sie bei der Anhörung nicht alleine sein wollte. Im Gesicht und an den Händen der jungen Roma waren deutliche Verbrennungsspuren zu sehen. Elvira Sisic hatte als einzige einen Brandanschlag überlebt, den serbische Tschetniks auf das Haus ihrer Familie verübt hatten. Es gelang ihr, als Kind zu ihrem Vater zu fliehen, der damals in Deutschland arbeitete. Jetzt drohte ihr der nächste Schicksalsschlag: Bei ihrem Vater war Krebs mit einer Lebenserwartung von sechs Monaten diagnostiziert worden.

Elvira Sisic war ungefähr Mitte 20 und lebte seit etwa 15 Jahren in Deutschland. Nach einem abgewiesenen Asylantrag wurde sie mit ihrem Vater seit vielen Jahren in Deutschland geduldet. Das bedeutete, dass sie alle paar Wochen bei der Behörde vorsprechen musste, um eine Verlängerung ihrer Duldung zu erreichen. In den vergangenen Monaten hatte die Ausländerbehörde den Druck erhöht. Sachbearbeiter R. kannte den Fall. Er hatte Elvira Sisic schon beim letzten Termin eindringlich aufgefordert auszureisen. Wieso sie immer noch da sei, herrschte R. die junge Frau an. Sie wisse doch, dass sie ausreisen müsse. Elvira Sisic erwiderte, dass sie noch eine Duldung von einigen Tagen habe und gerne bei ihrem Vater bleiben wolle, der sehr krank sei. Er habe sonst niemanden. Das interessierte Sachbearbeiter R. nicht. Sie könne ja ausreisen und dann wieder einreisen.

Elvira Sisics Begleiterin, eine Betreuerin der Flüchtlingsberatung „Fluchtpunkt“, wies R. darauf hin, dass eine Wiedereinreise aus Jugoslawien Monate in Anspruch nehmen würde und der Vater bis dahin wahrscheinlich tot wäre. – „Kann der Vater nicht ebenfalls ausreisen?“ Der Sachbearbeiter, der mit dem Fall Sisic schon mehrfach befasst war, gab sich unwissend. – „Der Mann liegt sterbenskrank in einem Krankenhaus.“ – Kein Argument für R.: „Ich könnte Sie jetzt auf der Stelle abschieben. Jetzt, in diesem Moment. Aber ich will das gar nicht, ich will mir diesen Stress gar nicht antun. Ich gebe Ihnen jetzt noch einmal eine Duldung von vier Wochen und wenn Sie dann noch mal hier auftauchen, werden Sie abgeschoben.“ Weinend verließ Elvira Sisic den Raum: „Wieso kann ich nicht bei meinem Vater bleiben?“

Im anschließenden Interview gab sich Sven R. kaltschnäuzig. Als ich ihn fragte, ob es denn stimme, dass eine Wiedereinreise nach Deutschland wegen der Bearbeitungszeit bei den jugoslawischen und deutschen Behörden mehrere Monate dauern würde, antwortete er lapidar: „Einreise? Keine Ahnung. Mein Thema ist Ausreise.“ Er schien die Situation zu genießen. Ich wollte von ihm wissen, ob ihm sein Job Spaß macht: „Das ist doch wunderbar hier. Ich habe ein großes Büro, mit hellen Fenstern, komme viel herum auf den Flughäfen in Deutschland. Super!“

Nicht alle Sachbearbeiter verhalten sich so wie Sven R. Wir filmten aber viele Gespräche, bei denen vor allem eines deutlich wurde: Die Beamten erledigten in der Regel achselzuckend bis genervt und manchmal aggressiv ihre Arbeit. Sie waren die letzte Station vor der Abschiebung und exekutierten die Anordnungen der Gerichte und der Behördenleitung. Eine belastende und frustrierende Situation. Aber keiner von ihnen schien ins Grübeln zu kommen. Bei kaum einem spürte man, dass er sich in die Situation seiner Klientel hineinversetzen würde. Bei den Beamten schien eher, je nach Gemütslage, Routine bis Zynismus vorzuherrschen.

Mehrmals hörte ich: „Wir sehen das sportlich: Entweder gewinnen die oder wir.“ Damit war gemeint: Wir von der Ausländerbehörde sehen uns als Team, das den Wettkampf sucht, und wenn die Leute im Flugzeug sitzen, haben wir gewonnen. Eine Seite, die Ausländerbehörde, bestimmt immer das Tempo. Und wer keinen guten Anwalt für Ausländerrecht hat – und von denen gibt es in Hamburg nicht viele –, der hat fast schon verloren.

Im April 2005, knapp drei Jahre nach Beginn der Recherchen, wurde der Film unter dem Titel „Abschiebung im Morgengrauen“ im NDR ausgestrahlt.

Noch nie habe ich so viele Mails und Briefe zu einem Film erhalten. Die meisten waren ermutigend und unterstützend, einige äußerten allerdings auch, mit den Geduldeten werde noch viel zu nett umgesprungen. Bis heute werde ich zu Veranstaltungen mit dem Film im ganzen Bundesgebiet eingeladen.

Von der Behörde kam monatelang keine Reaktion. Erst im Herbst 2005 schrieb mir Ralph Bornhöft, der Leiter des Einwohnerzentralamtes (der Ausländerbehörde übergeordnet), und beklagte sich über den seiner Ansicht nach tendenziösen Film.

Welche langfristige Wirkung entfaltet eine solche Fernsehdokumentation? Schürt sie nur die Empörung derer, die schon immer gegen die deutsche Abschiebepraxis waren? Mein Eindruck ist, dass der Film einem über Jahre vernachlässigten Thema wieder einen größeren Platz in den Medien verschafft hat. Ich führe keine Statistiken, aber mir kommt es so vor, als würden Fernsehmagazine, Zeitungen und Zeitschriften in den vergangenen Monaten verstärkt über die so belastende Situation von geduldeten Familien berichten und so den Druck auf die Politik erhöhen, diese Praxis zu ändern. Vielleicht – hoffentlich – trügt mein Eindruck nicht.

Michael Richter

1961 in Heidelberg geboren. Seit 1995 freier Fernsehautor und Regisseur. Im April wurde er für den Film „Abschiebung im Morgengrauen“ mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. 1998 erhielt Richter den Katholischen Journalistenpreis, 1999 den RIAS-Preis für deutsch-amerikanische Verständigung, 2005 den Deutschen CIVIS-Preis. Neben seiner Fernseharbeit veröffentlichte er 2003 ein Buch mit dem Titel „Gekommen und geblieben – Lebensgeschichten türkischer Migranten“.

Noch mal davongekommen

Wie eine Behindertengruppe wegen Ein-Euro-Jobbern fast die Arbeit verloren hätte

(aus Hinz&Kunzt 147/Mai 2005)

Sie sammeln Müll, harken Laub und legen Wege an im Stadtpark: 20 behinderte Menschen aus den Winterhuder Werkstätten. Seit vielen Jahren machen sie das. Doch plötzlich sind sie zu teuer, das Bezirksamt Nord will sparen. Sind die Ein-Euro-Jobber schuld?

German Pump hat einen feinen Sinn für Ironie. „Wir haben erfolgreich ein Minus ausgehandelt“, sagt der Abteilungsleiter vom Landesbetrieb Winterhuder Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WWB). Vor wenigen Tagen erst hat er den Vertrag mit dem Bezirksamt Nord in trockene Tücher gebracht. Statt 72.000 Euro jährlich bekommen die Werkstätten künftig nur noch 40.000 Euro dafür, dass sie täglich mit einer 20 Mann starken Gartengruppe im Stadtpark unterwegs sind. „Wir haben Glück gehabt“, meint der 47-Jährige, zwischenzeitlich habe er befürchtet, den Auftrag ganz zu verlieren.

Angefangen hat alles Ende Januar, so Pump. Das Gartenbauamt habe signalisiert, die Behinderten gerne weiter beschäftigen zu wollen – „doch für sehr viel weniger Geld“. In den Gesprächen sei auf die Sparvorgaben des Senats und die Verpflichtung verwiesen worden, Angebote mehrerer Anbieter einholen und das günstigste wählen zu müssen. „Die Konkurrenz waren Beschäftigungsträger mit ihren Ein-Euro-Jobbern“, glaubt Pump nach Recherchen. Das Bezirksamt Nord bestreitet einen direkten Zusammenhang: „Es gab kein Konkurrenzangebot zu den Tätigkeiten der WWB im Stadtpark“, erklärt Sprecher Peter Hansen. Seit mehr als zehn Jahren arbeite der Bezirk mit den Werkstätten „gut nachbarschaftlich“ zusammen: „Wir sind begeistert von der Einsatzfreude und Ausstrahlung dieser Menschen.“

Doch räumt der Bezirksamts-Sprecher ein: „Durch die Ausweitung der Ein-Euro-Jobs werden bisherige Maßnahmen natürlich in einem anderen Licht gesehen.“ Den Bezirken liege derzeit eine Behördenanfrage vor, inwieweit sie sich Beschäftigungsfelder für Ein-Euro-Jobber vorstellen können. Und da schon die Stadt Sozialhilfeempfänger gemeinnützig arbeiten ließ, haben die preiswerten Arbeitslosen die Gartenbauabteilungen längst erreicht. Im Bezirk Nord, so Hansen, sind derzeit 35 Ein-Euro-Kräfte in den Grünanlagen unterwegs. Betreut werden sie von Beschäftigungsträgern, „eigene Ein-Euro-Kräfte haben wir nicht mehr.“ Derweil gehen feste Arbeitsplätze verloren: 15 der vormals 100 Arbeiter-Stellen sparte der Bezirk in den vergangenen fünf Jahren im Grünbereich ein.

Laut Winterhuder Werkstätten soll ein Beschäftigungsträger angeboten haben, die Tätigkeiten der Behindertengruppe für 20.000 Euro jährlich zu übernehmen. Erst nach Appellen an die moralische Verpflichtung des Bezirks, Menschen mit Behinderung zu beschäftigen, hätten die WWB den Zuschlag bekommen. Die wollen die Löhne der behinderten Mitarbeiter trotz der finanziellen Einbußen nicht kürzen. Doch bei der berufsbegleitenden Qualifizierung zum Beispiel werde man wohl sparen müssen. Geschäftsführer Wolfgang Pritsching: „Wenn es zu einem Verdrängungskampf zwischen Gruppen benachteiligter Menschen kommt und diese sich gegenseitig im Preis nach unten drücken, ist das bitter.“

Ulrich Jonas

Wie hält’s Hinz&Kunzt mit den Ein-Euro-Jobbern?
Nach all der kritischen Berichterstattung über die Ein-Euro-Jobs fragen Sie sich jetzt sicher, wie wir es bei Hinz&Kunzt damit halten. Wir sind genau in der gleichen Bredouille wie andere soziale Projekte auch: wenig Geld und viel zu tun.

An unserem Kaffeetresen im Vertrieb haben bislang einige Hinz&Künztler gejobbt. Andreas – wie die meisten – für lau, und Frank wurde für zehn Stunden bezahlt. Jetzt bekommen beide 1 Euro pro Stunde und dürfen 30 Stunden bezahlt arbeiten. Die Arbeit ist zusätzlich, und es wird auch niemandem sein Arbeitsplatz weggenommen. Im Gegenteil: Unbezahlte Arbeit wird jetzt besser bezahlt. Aber was passiert nach zehn Monaten? Geld, die beiden fest anzustellen, haben wir bislang nicht…

Ein richtiger Problemfall: Im Sekretariat bräuchten wir dringend eine 20-Stunden-Kraft, das Geld hätten wir vor der Einführung des Ein-Euro-Programms ausgeben müssen. Jetzt sieht die Sache anders aus: Wir könnten auf Kosten eines potenziellen Arbeitnehmers sparen und eine Ein-Euro-Kraft beschäftigen. Ein echtes Dilemma, das wir derzeit heiß diskutieren.

Birgit Müller

„Mehr Großherzigkeit und Liberalität“

Im Wortlaut: Presseerklärung der Bischofskanzlei Hamburg

(aus Hinz&Kunzt 160/Juni 2006)

Bischöfin Maria Jepsen und Erzbischof Werner Thissen haben sich in die aktuelle Bettler-Debatte eingemischt. In einer gemeinsamen Erklärung rufen sie zu „mehr Großherzigkeit und Liberalität“ auf. Die Erklärung im Wortlaut

Der Kommissar geht um

Wie das Hamburger Spendenparlament Finanz-Anträge prüft

(aus Hinz&Kunzt 139/September 2004)

Karen Haubenreisser wirkt nervös. Ein harter Termin liegt vor der Geschäftsführerin des Frauenprojektes FLAKS. Gut, dass sich auch Christiane Geng Zeit genommen hat. Die Mitarbeiterin vom Bezirksamt Altona sieht richtig schick aus: schwarzes, enges Kleid und hochhackige Sandalen. Hier geht es schließlich um Geld.