Spenden : 120 Mal den Zehnten gegeben

Seit genau einem Jahrzehnt spendet Ingrid Diedrich ein Zehntel ihres monatlichen Einkommens an Hinz&Kunzt. Für sie ist das eine Glaubensfrage.

(aus Hinz&Kunzt 234/August 2012)

Ingrid Diedrich begann ihren Berufsweg als Werbegestalterin. Dann wurde sie Hebamme und Krankenschwester. Heute sagt sie: „Man soll gleich das tun, was einem GUTTUT.“

Für Staubfänger und Nippes hat Ingrid Diedrich nicht viel übrig. Zweckmäßig ist das Wort, das einem einfällt, wenn man in der großen, hellen Wohnung der Norderstedterin zu Gast ist: Hohe, aber nur halb gefüllte Bücherregale stehen dort im Wohnzimmer, ein großer Tisch mit unterschiedlichen Stühlen bietet vielen Gästen Platz. Kein Bild schmückt die Wände. Spitzendeckchen, Kerzenhalter oder Stilmöbel? Fehlanzeige. Lieber teilt sie das, was sie hat, mit anderen Menschen. Getreu der Aufforderung in der Bibel, den Zehnten zu geben, spendet sie den entsprechenden Anteil ihres Einkommens an Hinz&Kunzt – seit zehn Jahren.

Denn Ingrid Diedrich ist ein gläubiger Mensch; doch mit Kirche hat das wenig zu tun. Sie schöpft ihren Glauben vor allem aus ihrer eigenen Lebenserfahrung und dem Lesen der Bibel. Missionarisch wirkt sie dabei kein bisschen. Eine praktische, handfeste Person ist die gebürtige Cellerin, vielseitig interessiert, sportlich, flott im kurzen Rock und Top unterwegs. „Ich habe viel erlebt“, erzählt die zierliche, lebhafte Frau, die mit kerzengradem Rücken auf dem Sofa sitzt. Führung hat sie dabei im und durch ihren Glauben erfahren, „an Schicksal, an eine Kraft, die uns führt – an Gott“.

Dabei weiß die Rentnerin genau, wie es sich anfühlt, Geldsorgen zu haben. Ihren beruflichen Weg begann sie als grafische Werbegestalterin. „Aber ich wollte lieber mit Menschen arbeiten.“ So bewarb sich die damals noch junge Frau als Praktikantin in einer Einrichtung der Behindertenhilfe und schrubbte Fußböden. Von dort arbeitete sich Ingrid Diedrich langsam hoch: Sie absolvierte eine Ausbildung zur Hebamme und Krankenschwester, bildete sich ständig fort, bekam „immer gleich viel Verantwortung“, wie sie selbst ein bisschen verwundert sagt, und leitete schließlich unterschiedliche Krankenhaus-Abteilungen. Mit der Scheidung begannen erneut finanzielle Engpässe. „Aber ich fand, dass mein Leben trotz allem gut gelaufen war.“

Die beiden Söhne sind mittlerweile erwachsen und studieren, und Ingrid Diedrich hat Zeit, sich mit den Dingen auseinanderzusetzen, die sie beschäftigen. Familienaufstellungen gehören dazu; nicht zuletzt, weil sie in ihrer eigenen Familie Konflikte erlebt hat. Was sie daraus gelernt hat? „Nach vorn schauen, schlechte Erfahrungen und alte Konflikte hinter sich lassen zu können. Das ist schwer, aber wichtig“, sagt Ingrid Diedrich. „Man soll nicht abwarten, sondern gleich das tun, was einem guttut.“

Text: Misha Leuschen
Foto: Hannah Schuh