„Nur mit Einkaufstasche erwünscht“

Mark Wehrmann über Kleingärtnermentalität in der Stadtentwicklung

(aus Hinz&Kunzt 162/August 2006)

Mit dem Skateboard über das Pflaster brausen oder mit dem BMXRad schwungvoll Treppenstufen bewältigen, so lässt sich großstädtisches Leben genießen. Doch in der Hamburger Innenstadt haben es die Skater, BMX-Fahrer und Biker nicht leicht. Ein Gespräch mit dem Künstler und Biker Mark Wehrmann.

Hinz&Kunzt: Zuletzt hatten Hamburgs Skater und Biker mit den Magellan- Terrassen in der neuen HafenCity einen idealen Treffpunkt. Aber der ist jetzt weg…

Mark Wehrmann: Die Magellan-Terrassen sind das letzte große Drama. Da sind einen Sommer lang alle gefahren und haben geskatet und jetzt sind da ungefähr 100 Metallstifte großflächig in den Boden und auf die Rampen und Stufen geschlagen worden, um genau das Skaten und Biken zu verhindern.

H&K: Es hieß, die Rollen der Skates machten so viel kaputt…

Mark Wehrmann: Es geht nicht darum, ob die Leute einen Millimeter Beton abschaben. Und wenn, dann wäre das die normale Abnutzung. Diese Edelstahlköpfe, die da eingezogen wurden, sind selbst eine Architekturverschandelung; der Charakter dieser Architektur ist zerstört. Es geht schon um eine Vertreibungspolitik. Man will da die Skater und Biker nicht haben; erst recht nicht, wenn es nicht Einzelne sind, sondern wenn sie in Gruppen auftreten.

H&K:Was war so reizvoll daran, auf den Terrassen zu skaten oder mit dem BMX-Rad zu fahren?

Mark Wehrmann: Es war eine schöne Art, Architektur zu erleben. Es ist ja ein einladender Ort, da konnte man den ganzen Tag abhängen, das schöne Ensemble aus den Bauten, dem Fluss, den Schiffen und dem Himmel betrachten und ganz sportlich-urban das Leben genießen. Doch man will offenbar nicht, dass die Leute das wirklich nutzen. Der Ort täuscht jetzt eine Freigiebigkeit und Freizügigkeit vor, die in der Benutzung zurückgenommen wurde. Die Terrassen sind von ihrer Architektur her sehr verlockend, auch verspielt. Und wenn man dann dieses Spiel aufnehmen und mitspielen will, dann darf man nicht.

H&K: Warum ist man so unnachgiebig und lässt nicht den Dingen ihren Lauf?

Mark Wehrmann: An anderen Orten sind es manchmal nur die Hausmeister, die sich gestört fühlen und dann zu allerlei Mitteln greifen, einem den Spaß zu verderben. Was die Stadt angeht: Ich glaube nicht, dass man richtig begreift, dass man eine gewisse Lebendigkeit erst mal braucht und auch riskieren muss, will man die leeren Stadträume beleben. Dass sich die Stadt immer wieder selbst eine Monotonie heran züchtet, die ihr selbst hinterher auf den Keks geht, das wird so nicht gesehen. Kurzum: Es wird wie in der Hafen City eine sehr großstädtische, weltgewandte Architektur entworfen, die dann mit einer Kleingärtnermentalität verwaltet wird. Das ist das Problem.

H&K:Skater entdecken einen interessanten Ort, die Behörden schreiten ein, die Skater suchen sich den nächsten Platz – ist das auch ein Spiel?

Mark Wehrmann: Nein. Man ärgert sich immer, wenn einem die Möglichkeiten für die verschiedenen Sprünge, für das Einüben von Figuren und überhaupt für das Fahren und Skaten wortwörtlich verbaut werden. Es geht ja Raum verloren und die Verödung gerade der Innenstadt nimmt zu. Am Ende des Weges findet man dann eine monotone Trostlosigkeit, wo man wirklich nur mit der Einkaufstasche erwünscht ist und das war es dann.

H&K:Mal angenommen, unsere Kultursenatorin würde sich für die Skater einsetzen und ihnen einen Skateparcours schenken…

Mark Wehrmann: Gerne! Es gibt ja gute Skateparks und gute Skateplätze, wie die Thomas-I-Punkt-Halle an der Spaldingstraße. Aber jemand der Street-Skaten machen möchte, möchte das natürlich auf der Straße und mitten in der Stadt machen und nicht im eingezäunten Park mit Öffnungszeiten, das ist eine andere Idee. Aber man kann beides genießen.

Frank Keil

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